HUNDERT JAHRE EISENBAHNLINIE ZÜRICH – RICHTERSWIL

Quelle: Grenzpost, September 1975, Ziegler Peter aus Sammlung Ortsmuseum Richterswil, zusätzliche Bilder LZB

Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Frühe Bahnprojekte am Zürichsee
Die Reppischtalbahn konkurrenziert die Linie am Zürichsee
Ein neuer Anlauf führt zum Ziel
1872: Bauvertrag mit der NOB
Die Finanzierung des Bahnbaus
Diskussion wegen der Trasseführung
Bahnbau mit Schwierigkeiten; Diskussion um den Standort der Bahnhöfe
18. September 1875: Eröffnung der Bahnlinie
Hohe Kostenüberschreitungen
22. September 1875: Rutschungen in Horgen unterbrechen den Bahnverkehr
Die Entwicklung bis um 1900
1903–1921: Wädenswil diskutiert Stationserweiterungsprojekte
Elektrifikation und Doppelspur
Der Bahnhofumbau von 1930/32
Neugestaltung der Bahnhofanlage Thalwil
Anhang

Am 20. September 1975 werden hundert Jahre vergangen sein, seit auf der Bahnstrecke Zürich–Richterswil der fahrplanmässige Betrieb aufgenommen wurde. Peter Ziegler hat’ in unserem Auftrag den Bahnbau und die wichtigsten Etappen der hundertjährigen Entwicklung dargestellt. Die Redaktion

Einleitung

Zürich war der erste Kanton in der Schweiz, der sich nach der Eröffnung der ersten Eisenbahn mit Personenbeförderung in England im Jahre 1825 ernsthaft mit Eisenbahnfragen beschäftigte. Am 7. August 1847 konnte die 1845 entstandene Nordostbahngesellschaft die Strecke Zürich–Baden eröffnen, die Spanisch–Brötli–Bahn. Mit der Eisenbahnrede von Alfred Escher im zürcherischen Grossen Rat begann Ende 1852 die neue Zeit der zürcherischen Eisenbahn. Bis 1875 wurden über Kantonsgebiet die folgenden normalspurigen Eisenbahnlinien gebaut:

Strecke Inbetriebnahme
Winterthur–Romanshorn 16. Mai 1855
Winterthur–Wil 14. Oktober 1855
Winterthur–Wallisellen–Oerlikon 27. Dezember 1855
Oerlikon–Zürich 26. Juni 1856
Wallisellen–Uster 1. August 1856
Winterthur–Schaffhausen 16. April 1857
Uster–Wetzikon 9. November 1857
Wetzikon–Rüti 1. Mai 1858
Rüti–Rapperswil 15. Februar 1859
Altstetten–Knonau–Zug 1. Juni 1864
Oerlikon–Bülach 1. Mai 1865
Oberglatt–Dielsdorf 1. Mai 1865
Winterthur–Bauma 4. Mai 1875
Zürich–Uetliberg 12. Mai 1875
Oberwinterthur–Etzwilen–Singen 17. Juli 1875
Zürich–Thalwil–Ziegelbrücke 20. September 1875

Inserat im «Allg. Anzeiger vom Zürichsee» vom 18. September 1875.

Frühe Bahnprojekte am Zürichsee

Die Bahnstrecke entlang des linken Zürichseeufers wurde spät gebaut. Hatte man in den Seedörfern kein Interesse am neuen Verkehrsmittel? Oder verzögerten andere Faktoren den Bahnbau?

In Thalwil beschäftigte man sich schon 1843 mit Eisenbahnfragen. Im Februar dieses Jahres folgte die Gemeindeversammlung dem Antrag des Gemeinderates und stellte sich hinter die «Petition betreffend Erbauung einer Eisenbahn von Zürich nach Basel». Das Schriftstück wurde hierauf der hohen Regierung des Standes Zürich eingereicht. Das Dokument brachte einerseits die Sorge zum Ausdruck, die Schweiz möchte im Eisenbahnwesen umgangen werden. Die Aktienzeichnung und Werbung wollte sich Thalwil anderseits für das neue, zukunftsorientierte Verkehrsmittel einsetzen. Wahrscheinlich stellten sich die dem Bahnbau befürwortenden Industriellen vor, die Eisenbahn werde dann von Zürich aus über Thalwil Richtung Italien geführt. Lag hier im Kern schon das spätere, erst 1897 verwirklichte Projekt Thalwil-Zug vor?

Auch in Horgen nahm man schon früh lebhaften Anteil an den Projekten für ein Alpenbahn. Ob sie nun über den Splügen oder den Gotthard führen würde, war vorerst unwichtig. Entscheidend war einzig, dass sie durch das Gemeindegebiet von Horgen verlief und eine Verkehrsverbindung mit der Stadt Zürich brachte.

Am 14. Mai 1856 tagte in Horgen eine Versammlung mit dem Zweck, rechtzeitig den Alpenanschluss zu schaffen. In der Folge reichten die Herren Caspar Baumann-Hüni, Seidenfabrikant in Hogen, Staatsschreiber und Nationalrat Carl Adolf Huber-Blattmann von Wädenswil und Textilfabrikant und Gemeindepräsident Hans Heinrich Schmid-Kölliker in Thalwil der Zürcher Regierung folgendes Konzessionsgesucht für eine Eisenbahn ein: a) von Zürich längs dem linken Seeufer bis an die Kantonsgrenze von Richterswil, und b) von Zürich ganz oder teilweise durch das Sihltal bis an die Kantonsgrenze bei Sihlbrugg.

Mit diesen beiden Linien sollten die Hauptbahnen der Zentral- und Ostschweiz in der Innerschweiz miteinander verknüpft werden. Gleichzeitig wollte man die Urkantone in das schweizerische Eisenbahnnetz einbeziehen.

Die im «Horgenerkomitee» zusammengeschlossenen Initianten betonten ausdrücklich, die beiden von ihnen gewünschten Linien seine als ein Ganzes aufzufassen. Diese Bestimmung ist der Grund, warum die anfänglichen Bestrebungen zur Schaffung einer linksufrigen Eisenbahn scheiterten. Weil sich die Initianten nicht auf eine einzige Linie beschränkten, sondern auch eine Verbindung nach SihlbruggZug forderten, gerieten sie in Konkurrenz zu anderen Komitees, die andere Varianten einer Linie von Zürich nach Zug vorlegten, denen der Grosse Rat schliesslich den Vorzug gab.

Am 3. Juli 1857 bewilligte der Grosse Rat des Kantons Zürich der Konzessionsgesuche: a) für eine Glattalbahn, b) für eine linksufrige Seebahn, c) für eine Bahn ZürichReppischtalAffolternKnonauZug. Gleichzeitig schloss er jede andere Verbindung mit Zug für die nächsten dreissig Jahre aus. Das Horgnerkomitee protestierte energisch gegen diesen Beschluss. Da von Zug aus ein Anschluss bewilligt war, erneuerte es sofort das Gesuch um eine Konzession für eine Abzweigung nach Sihlbrugg. Auf dieses Begehren trat aber der Grosse Rat nicht ein. Er verlängerte am 25. Juni 1860 nur die Konzession für die Seebahn um weitere drei Jahre.

Die Reppischtalbahn konkurrenziert die Linie am Zürichsee

Während man in den linksufrigen Seegemeinden intensiv auf die Verwirklichung der Zürichseebahnlinie hinarbeitete, tauchte plötzlich das Projekt einer Reppischtalbahn auf, das heisst einer Bahnlinie von Zürich nach Altstetten, um den Uetliberg herum, durchs Knonaueramt nach Zug und Luzern. Entschlossen kämpfte Wädenswil gegen diese Linie, welche die Seegemeinden ein zweites Mal abgeschnitten hätte. Seit 1859 bestand nämlich deine Bahnverbindung nach dem Glarnerland über WallisellenUsterRütiRapperswilUznachWeesen.

Anfang Februar 1859 zirkulierte in Wädenswil und in den anderen linksufrigen Ortschaften eine Petition an den Grossen Rat. Sie sollte den von der Behörde bereits genehmigten Bau einer Bahnlinie Zürich–Zug verhindern und eine Linienführung über Thalwil erwirken. Eine Reihe angesehener Wädenswiler Fabrikanten setzte sich energisch für den Bau einer linksufrigen Seebahn ein: Der Seidenindustrielle August Gessner, der Stärkefabrikant Blattmann, der Kolonialwarenhändler Diezinger, der Lederhändler Hauser, Grosshändler Wild sowie der Turchfabrikant Fleckenstein-Schulthess.

An der Ustertagfeier 1861 wurden die Eisenbahnprobleme in Wädenswil erneut diskutiert: «Jetzt, da es sich um die Erstellung einer Bahnlinie Zürich–Luzern handelt, taucht die Frage neuerdings und lebhafter als zuvor auf, ob die industrielle Seegegend, die von Touristen gerne besucht wird, wirklich keinerlei Berücksichtigung verdiene, ob sie von der Verkehrslinie nach der Innerschweiz und über den Gotthard nach Italien auf ewige Zeiten abgeschnitten sein und dagegen der Personen- und Warentransport dem öden Reppischtal zugewiesen werden soll.»

Auch in Thalwil waren es die Industriellen, welche zu den eifrigsten Befürwortern des Bahnbaus zählten. 1862 setzte der Gemeinderat Thalwil eine Eisenbahnkommission ein, welcher folgende Herren angehörten: Kantonsrat Rudolf Schmid-Schwarzenbach aus der Seidenzwirnerei Gebrüder Schmid; Statthalter Jakob Kölliker-Haltinger, Teilhaber der Baumwollweberei Kölliker, Wieland & Co., sowie Karl Schmid-Schwarzenbach und Heinrich Schmid-Kölliker, beide Teilhaber der Seidenfabrik Heinrich Schmid in Gattikon. Die treibenden Kräfte waren vor allem Heinrich Schmid-Kölliker und der Seidenfabrikant Fritz Schwarzenbach-Suter. Mit der Übernahme des Gemeindepräsidiums durch Karl Kölliker-Studer, dem Schwiegersohn des Nordostbahndirektors Heinrich Studer, erhielt die Eisenbahnsache in Thalwil einen weiteren Förderer.

1861 lief im Bezirk Horgen die Aktienzeichnung für den Bau einer linksufrigen Seebahn an. Am 22. November 1861 beschloss die Wädenswiler Gemeindeversammlung einen ersten Beitrag von 200 000 Franken, und die Industriellen der Gemeinde zeichneten innert kurzer Frist Aktien im Betrag von 330 000 Fr. Ein Jahr später bewilligte die Gemeinde nochmals einen Beitrag von 390 000 Franken.

Am 6. Januar 1862 entschied der Grosse Rat von Zürich endgültig über die beiden Bahnprojekte. Dem Bau der Reppischtalbahn, für den sich der Affoltener Bürger Regierungsrat Dubs einsetzte, wurde der Vorzug gegeben. 1864 nahm die Nordostbahn die Reppischtallinie in Betrieb, und damit waren die Aussichten für die Seegemeinden geschwunden. Obwohl die Diskussionen über den Bau der linksufrigen Seebahn in den meisten der direkt betroffenen Dörfer nicht verstummten, verstrichen Jahre, bis wieder ernsthabt an die Verwirklichung der Pläne gedacht werden konnte.

Ein neuer Anlauf führt zum Ziel

1871 konstituierte sich ein neues Komitee, dem wiederum die Herren Carl Adolf Huber von Wädenswil und Heinrich Schmid von Thalwil angehörten, dazu neu Her Staub aus Richterswil und Fabrikant Heinrich Studer-Heer von Bendlikon, Präsident der NOB. Energisch und zielbewusst packten diese Männer die Sache einer linksufrigen Eisenbahn an. Auf den 19. März 1871 luden sie Abgeordnete des Landes Glarus, der Bezirke March und Höfe sowie der Stadt Zürich nach Richterswil ein, um über die «Wiederaufnahme älterer Bestrebungen behufs Erbauung einer linksufrigen Zürichseebahn zu beraten». Man einigte sich, «Studien in technischer wie in kommerzieller Hinsicht für eine Eisenbahn Zürich–Weesen und für eine zweckmässige Abzweigung nach der Gotthardbahn zu veranlassen». Zugleich bestimmte man einen Siebnerausschuss, in den Zürich drei Mitglieder, Glarus und Zug je zwei Mitglieder entsenden sollten. Die Gemeinden am linken Ufer bestimmten Delegierte, die für wichtige Beratungen zugezogen wurden.

Am 4. Juli 1871 erteilte der Kantonsrat die Konzession für den Bau einer Eisenbahnlinie Zürich–Richterswil mit der Berechtigung, eine Abzweigung nach Sihlbrugg zu bauen, um eine Verbindung mit der Gotthardbahn herzustellen

1872: Bauvertrag mit der NOB

Für den Bau der linksufrigen Zürichseebahn interessierte sich zunächst die englische Firma Napier & Kuchen, welche auch die Wädenswil–Einsiedeln-Bahn erstellen wollte. Im Vertragsentwurf verpflichtete sich der Unternehmer, das Kapital zu beschaffen, und zwar je zur Hälfte in Obligationen und in Aktien. Lediglich ein Drittel der Kosten für eine Abzweigung nach Zug sollte von anderer Seite aufgebracht werden. Die dem Gründungskomitee angehörenden Gemeinden sowie Private waren berechtigt, Aktien bis zur Höhe von einem Drittel des gesamten Aktienkapitals zu zeichnen.

Entgegen den ursprünglichen Hoffnungen gelang es der Firma Napier & Kuchen nicht, das ganze Baukapital von 12 Millionen Franken zu beschaffen. Im Mai 1872 wurde daher der Vertrag wieder aufgelöst. Dafür kam man schon am 4. Juli 1872 mit der Nordostbahngesellschaft zu einem Vertragsabschluss. Die NOB verpflichtete sich zum Bau und Betrieb einer von Zürich über das linke Seeufer nach Weesen führenden Bahn, mit direkter Verbindung zur Gotthardbahn und zur Linie Zürich–Zug–Luzern über einen Anschluss Thalwil–Sihlbrugg–Zug.

Die Finanzierung des Bahnbaus

Die an der Bahnlinie beteiligten Gemeinden hatten laut Vertrag mit der NOB ein Anleihen von sieben Millionen Franken zu erbringen. Fünf Millionen waren für die Strecke Zürich–Weesen, zwei Millionen für die Linie Thalwil–Zug vorgesehen. Die NOB stellte Obligationen mit steigendem Zinssatz von 3 bis 3 ½ Prozent aus, die nach zehn Jahren abzulösen waren.

Die Subventionssumme wurde folgendermassen auf die Kantone verteilt:

Glarus 600 000 Franken
Zug 600 000 Franken
Schwyz 1 500 000 Franken
Zürich 4 300 000 Franken

Auf die einzelnen Zürcher Gemeinden entfielen die nachstehenden Beträge:

Stadt Zürich 1 000 000 Franken
Enge 600 000 Franken
Wollishofen 60 000 Franken
Kilchberg 80 000 Franken
Rüschlikon 40 000 Franken
Thalwil 200 000 Franken
Oberrieden 50 000 Franken
Horgen 350 000 Franken
Wädenswil 400 000 Franken
Richterswil 250 000 Franken

Am 20. Februar 1873 sprach sich der Zürcher Kantonsrat zudem für eine Staatbeteiligung aus. Diese belief sich laut Subventionsgesetz auf 50 000 Fr. pro Bahnkilometer, total auf 1 900 000 Fr. An die Gewährung dieser Subvention war allerdings die Bedingung geknüpft, dass die Abzweigung von Thalwil nach Sihlbrugg ohne ausdrückliche Genehmigung des Kantonsrates – Zürich hätte sich auch wieder an der Finanzierung beteiligen müssen – vor Ablauf von fünf Jahren nicht begonnen werden dürfe.

Auch einzelne Gemeinden am linken Ufer knüpften an die Gewährung ihres Subventionsanteils gewisse Bedingungen. Die Bahngesellschaft musste versprechen, die Stationen Horgen, Wädenswil und Richterswil in der Nähe des Sees zu erstellen und beim «Venedigli» in der Enge eine Personenhaltestelle zu errichten. Wädenswil beteiligen sich nur dann mit 400 000 Franken, wenn auch in der Au eine Bahnstation gebaut wurde.

Diskussion wegen der Trasseführung

Die von Oberingenieur Tobler ausgearbeitete Streckenführung und die umstrittene Lage einiger Stationen gaben in manchen linksufrigen Gemeinden viel zu reden. Selbst zwischen Komitee und Nordostbahngesellschaft bestanden Meinungsverschiedenheiten. Zwei Projekte standen zur Diskussion. Das Komitee verlange einen Tunnel zwischen Sihlhölzli und Enge und ein bis Wollishofen dem See entlang führendes Trasse. Die Nordostbahn dagegen hätte einer Linienführung westlich des Hügelzuges Ulmberg–Enge–Kirche Wollishofen, entlang der damals noch spärlich bevölkerten Haselgasse (Waffenplatzstrasse) nach Wollishofen, den Vorzug gegeben. Die Zürcher Regierung entschied zugunsten des Komitees. Überdies musste das Trasse auf Wunsch der Behörde so gelegt werden, dass die geplante rechtsufrige Bahn beim Bahnhof Enge in die linksufrige Linie münden konnte. Die heutige Führung am rechten Ufer, mit dem Tunnel Stadelhofen–Letten, stand damals noch nicht zur Diskussion!

Die Nordostbahngesellschaft kam den Wünschen des Komitees und der Zürcher Regierung entgegen und verzichtete auf ihr eigenes Projekt. Die neue Eisenbahnlinie umzog demnach in weitem Bogen das alte Aussersihl, durchbrach in einem 240 Meter langen Tunnel (heute Autotunnel) den Ulmberg, gelangte bei der Enge an den See, folgte dessen Ufer bis Wollishofen, mied es bis Horgen und verlief dann bis Lachen abermals in Seenähe.

Bahnbau mit Schwierigkeiten; Diskussion um den Standort der Bahnhöfe

Ende 1873 wurde die Bahnlinie ausgesteckt, und man legte Katasterpläne und Grunderwerbstabellen zur Einsicht auf. Im Verlaufe des Jahre 1874 konnte man mit den Erdarbeiten beginnen. Der Bahnbau kam nicht in allen Gemeinden gleich gut voran. An einige Orten hatte man mit schwierigem Terrain zu kämpfen; in andern Dörfern wieder führte die Frage, wo der Bahnhof am günstigsten zu plazieren sei, zu hitzigen Diskussionen.

In Kilchberg
ging der Bahnbau ohne Störung vor sich. Es mussten nur verhältnismässig wenige Wohn- und Ökonomiegebäude beseitigt werden. Auch der Bahnhof wurde, den Wünschen der Gemeinde entsprechend, recht günstig plaziert. Die Station hiess aber anfänglich nicht «Kilchberg», sondern «Bendlikon».


Station Bendlikon, 1875. (ETH Bibliothek)

In Rüschlikon
war die Eisenbahn ebenfalls willkommen. Die Frage, wer die Anpassungsarbeiten bezahlen solle, führte allerdings zu grossen Diskussionen und zu langwierigem Seilziehen zwischen der Gemeinde und der Nordostbahngesellschaft. Die Rüschliker waren sich einig: Die NOB wolle einen Schienenstrang mitten durch das Dorf legen; sie sollte darum auch die Niveauübergänge und die Anpassungsarbeiten finanzieren.


Station Rüschlikon mit Bahnpersonal und ihren Familien. (SBB Historic)

In Thalwil
gab vor allem die Stationsfrage zu reden. Die NOB rückte zwar vom ursprünglichen Standort im Kirchboden ab, sah aber am neuen, dem heutigen Platz, das Stationsgebäude seeseits der Bahnlinie vor. Die Gemeinde Thalwil indessen wünschte die Verlegung des Gebäudes bergwärts der Bahn.


Station Thalweil mit Passerelle in Eisenkonstruktion, 1875. Eine weitsichtige Planung schaffte bereits genügend Raum für die 1898 eröffnete Abzweigung nach Zug. (ETH Bibliothek)

Die Gemeindeversammlung vom 16. März 1873 beauftragte eine Kommission, bei der Direktion der NOB vorstellig zu werden. Die Vertreter der Gemeinde sollten mit Nachdruck darauf hinwirken, dass das Stationsgebäude möglichst nahe an die Unterdorfstrasse verlegt würde. Gleichzeitig sollte die Kommission alle Pläne prüfen und untersuchen, welche Strassen und Wege vom Eisenbahnbau betroffen und allenfalls neu gebaut werden müssten. In der Lokalpresse wurde darauf hingewiesen, dass seewärts der vorgesehenen Bahnlinie nur ein Fünftel der Wohnhäuser lägen. Vier Fünftel der Einwohner hätten damit zum Bahnhof weiter als zu den Schiffstegen. In 16 Sitzungen konnten die Kommissionsmitglieder mit der NOB einen für die Gemeinde günstigen Kompromiss einhandeln. Die NOB verpflichtete sich, die Einsteighalle nicht mehr als 50 Meter nördlich der Schwandelgasse zu erstellen. Die Bahngesellschaft zahlte an das Teilstück Schwandelgasse 500 Franken, womit der Gemeinde nur noch ein Beitrag von 100 Franken verblieb. Ausserdem erklärte sich die NOB bereit, im Gebiet des Schwandels eine Überführung zu bauen. Die Passerelle war eine reine Eisenkonstruktion von 49.3 Metern Länge. Die wies vier Öffnungen auf, ruhte auf gusseisernen Säulen, hatte eine Breite von 1.5 Metern und ein Gewicht von 10 600 Kilogramm.


A 2/4 Schnellzugsdampflokomotive 184 im Bahnhof von Thalwil vor der Elektrifizierung, ca. 1920. (Doku Stelle Oberrieden)

In Oberrieden
war man mit der vorgesehenen Lage des Bahnhofes einverstanden. Das Stationsgebäude war jedoch wesentlich einfacher gehalten als etwa die Bauten in Thalwil, Horgen oder Wädenswil. Als Bahnhof diente nämlich der heutige Güterschuppen. Dafür leistete Oberrieden an den Bahnbau auch den zweitkleinsten Beitrag aller linksufrigen Seegemeinden.


Bahnhof Oberrieden. Der hölzerne Bahnhof diente später als Güterschuppen und steht heute unter kantonaler Denkmalpflege. (PTT Museum, Bern)

In Horgen
hatte man sich schon 1871 Gedanken über den günstigsten Standort des Bahnhofs gemacht. Ingenieur Oliver Zschokke aus Aarau, der sich als Miterbauer der Rigibahn einen guten Ruf erworben hatte, arbeitete im Auftrag der Gemeinde drei Projekte aus. Als Standort des Bahnhofes stellte er folgende Varianten zur Diskussion: 1. Hinter der Kirche (417 m über Meer), 2. Beim Institut Stapfer (414 m), und 3. bei der Schifflände (410 m). Da die erste Lösung für den Lokalverkehr ungünstig war und die zweite bedeutende Expropriationen erfordert hätte, empfahl Zschokke die dritte Variante als günstigste. Allerdings war bei einem Standort nahe dem See eine Abzweigung ins Sihltal wegen der zirka 100 m Steigung unmöglich. Um den Horgnern doch etwas entgegenzukommen, schlug der Ingenieur vor, zwar in Thalwil abzuweigen, die Bahn aber in der Höhe mit 12 Promille Steigung bis oberhalb Horgen zu führen, statt – wie ein anderes Projekt wollte – direkt hinter Thalwil einen Tunnel zu bauen.

Dass der Bahnhof an den See zu liegen komme, war entschieden. Aber darüber, ob er mehr seeauf- oder seeabwärts zu erstellen sei, entzündeten sich die Gemüter von neuem. Die Frage war eben mit macherlei Expropriations- und Zufahrtsproblemen belastet. Schliesslich entschied man sich für den teureren Standort bei der Sust «vorhalb dem Steinhauerplatz Burkhart». Hier musste eine Ufermauer erstellt werden, und es waren streckenweise grosse Aufschüttungen nötig.

Anfangs 1875 gingen die Bauarbeiten in Horgen ihrem Ende entgegen. Da brach unterwartet Unheil herein, dessen Nachwirkungen die Horgener Bahnprobleme über ein Jahrzehnt schwer belasteten. Am 9. Februar 1875 stürzte über Mittag die Ufermauer auf einer Länge von 135 Metern ein und verschwand mit Teilen der Anlage und einem Stück des Gartens beim Institut Stapfer samt den zur Arbeit verwendeten Rollwagen in den See. Weitere kleine Abbrüche folgten. Die Untersuchung ergab, dass der Seeschlamm, auf den man die Auffüllung gesetzt hatte, durch die Auflagerung hinausgequetscht worden war. Vorschnell beruhigte man sich auf Grund einer Untersuchung und begann die Arbeit von neuem. Immerhin veranlasste eine neue Rutschung die teilweise Verlegung des Trasses.


Bahnhof und Güterschuppen Horgen nach den Abrutschungen vom 22. September 1875. (ETH Bibliothek)

In Wädenswil
waren – wie in Horgen – umfangreiche Vorarbeiten nötig. In langwierigen Expropriationsverfahren mussten für den Bau des eingleisigen Trasses Häuser, Gärten, Uferplätze und Haaben erworben werden. Dann wurden die zahlreichen Haaben mit Steinen und Schutt aufgefüllt, was besonders im Gebiet der hinteren Lände beim Sagenrain erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Im Zusammenhang mit dem Bahnbau wurde in Wädenswil eine Reihe von Häusern abgetragen: Das Wohnhaus und die Fabrik des Herrn Näf im Rothaus, das Wohnhaus und die Remise von Präsident Baumann im Luft, der Zinnenanbau von Wirt H. Gattiker «Zum Schiffli», das «Bellevue» von Konrad Bachmann bei der Dampfschifflände, ein Trottengebäude an der Seefahrt und die Ziegelhütte des Ziegelmachers Diener am Ort.

Der Bahnhof Wädenswil sollte, so stand es mindestens im Jahre 1873 noch fest, von jener Aktiengesellschaft gebaut werden, welche in den gleichen Jahren die Bahnlinie Wädenswil–Einsiedeln erstelle. Der Unternehmer der Wädenswil–Einsiedeln-Bahn, Kuchen & Napier, geriet aber schon im Herbst 1873 in Zahlungsschwierigkeiten und musste 1874 vom Vertrag zurücktreten. Nun übernahm die Nordostbahngesellschaft die Bauleitung für die Wädenswil–Einsiedeln-Bahn und damit gleichzeitig die Verpflichtung, den Bahnhof und den Güterschuppen zu erstellen. Der Bauplatz, ebenfalls durch Seeauffüllung gewonnen, stand bereits fest. Der Güterschuppen kam ins Areal des aufgefüllten Hafens bei der Sust zu liegen, der Bahnhof schloss sich unmittelbar nordwestlich an. Er lag also direkt vor dem heutigen Hotel «Du Lac».


Bahnhof Wädenswil von 1875, vor 1900. Digitalarchiv Peter Ziegler, (DOZ)

Verschiedene Bilder zeigen, wie der 1934 abgebrochene Wädenswiler Bahnhof ausgesehen hat. Er war der Einheitstyp der Nordostbahn, wie er auch für Richterswil, Au, Horgen und anderen Gemeinden Verwendung fand. Der zweistöckige Bau hatte einen rechteckigen Grundriss und war mit einem abgewalmten Dach gedeckt. Im unteren Stock befand sich das Stationsbüro, Schalterhalle und der Wartsaal; der obere Stock diente dem Stationsvorstand als Wohnung. Der Haupteingang befand sich auf der Bergseite. Auf der schmalen Seeseite war ein schmales Perrondach vorgebaut. Auf den beiden Schmalseiten schlossen überdachte Lauben an. Richtung Zürich lag ein kleiner Gemüsegarten, und zwischen dem Bahnhof und dem Güterschuppen befanden sich in einem freistehenden kleinen Bau die Aborte.


Bahnhof nach der Umbenennung von «-weil» auf «-wil» nach 1902. (Digitalarchiv Peter Ziegler, DOZ)

In Richterswil
gab es auch ein gefährdetes Streckenstück, wenn auch die Gefahr weniger gross war als in Horgen. Es handelte sich um den Abschnitt zwischen der «Garnhenke» und dem «Seegarten». Ganze Güterzüge voll Steine wurden dort im See versenkt, um den Bahntrasse über den rutschenden Ufer genügend Halt zu geben. Eine befriedigende, sichere Lösung erreicht man jedoch erst in den 1930er Jahre, als man die Geleise an jener Stelle landeinwärts verlegte.


Sicht auf «Garnhenke», die beiden Lokdepot mit eingleisiger Bahnlinie direkt am See, ca. 1875. (Ortsmuseum Richterswil)

18. September 1875: Eröffnung der Bahnlinie

Die Bahn sollte im Frühsommer 1875 eröffnet werden. Auf diesen Zeitpunkt jedenfalls schrieb die Nordostbahn die Stellen der Stationsvorstände und Gehilfen in Enge, Wollishofen, Bendlikon, Rüschlikon, Thawil, Oberrieden, Horgen, Au, Wädenswil, Richterswil, Pfäffikon, Lachen, Siebnen, Reichenburg, Bilten und Niederurnen öffentlich zur Besetzung aus. Gleichzeitig suchen sie für den Dienst auf der linksufrigen Zürichseebahn und auf der ebenfalls betriebsbereiten Bötzberglinie etwa 60 Kondukteure und Bremser.

Die Eröffnung der Bahn verzögerte sich dann allerdings. Erst am Samstag, 18. September 1875, verkehrte am linken Seeufer der erste Eisenbahnzug. Der Frühzug bracht von Näfels her Gäste aus allen Dörfern mit Bahnstationen nach Zürich. Einzig in Rüschlikon scheint man verstimmt gewesen zu sein. Merkwürdig mutet der Eintrag im Gemeinderatsprotokoll an, dass keiner der Rüschliker Gemeinderäte an der Feier teilzunehmen gedachte. Die Begründung für diese Zurückhaltung ist leider nicht bekannt. Im Bahnhof Enge wurde gefrühstückt. Um neun Uhr trat der Festzug mit bekränzter Dampflokomotive die Fahrt ins Glarnerland an. Alle Stationen waren festlich geschmückt. Überall ertönten Kanonen- und Böllerschüsse. Auch am Bahnhof Wädenswil standen viele Leute, die den heranbrausenden Zug sehen wollten. Am Abend trat man die Rückfahrt nach Zürich an. Auf mehreren Stationen wurde der Zug mit Feuerwerk und Illumination empfangen. Besonderen Einsatz zeigte das vom Gemeinderat Thalwil bestellte Festkomitee. Schon am 16. September hattes es im «Anzeiger des Wahlkreises Thalwil» folgendes Inserat erscheinen lassen: «Die Eröffnung der linksufrigen Zürichseebahn ist ein so erfreuliches und folgenreiches Ereignis, dass am nächsten Samstag, als dem Tage der Einweihung dieses so lange angestrebten Werkes, unserer Gemeinde wohl in einfachem Festgewand erscheinen darf. Das Bahngebiet soll dekoriert werden. Um aber die benötigten Girlanden zu bekommen, bedarf es rühriger Hände. Es ergeht daher an die Frauenzimmer, die mitzuhelfen geneigt sind, die freundliche Einladung, sich morgen Donnerstag vormittags 8 Uhr im untern Schulzimmer des alten Schulhauses einzufinden. Sodann wäre es erwünscht, wenn auch Private, wenigstens in den Häusern der Bahnlinie entlang, durch Flaggen und Fahnen ihre Sympathie für das endlich errungene neue Verkehrsmittel kund tun würden.»

Der Erfolg blieb nicht aus. Der NZZ-Berichterstatter sprach den Thalwilern den Ehrenpreis für den festlichsten Empfang zu, und das Lokalblatt berichtete am 21. September 1875:

«In langem Spaliere war die gesamte Schuljugend längs der Bahnlinie aufgestellt, selbst die Häfelischüler schienen die Bedeutung der neuen Bahn zu begreifen. Als der Zug ankam, gab der Gemeindepräsident Schwarzenbach-Suter in kurzen Worden den Gefühlen der Freude über die Vollendung des segenreichen Unternehmens Ausdruck. Als der Zug Abends von Glarus zurückkehrte, strahlte die Brücke, welche vom Schwandel her zum Bahnhof führt, im Lichterglanz der Papierlaternen; der Kirchturm ward ebenfalls erleuchtet, und aus dem Munde der Kanone krachte ein Freudenschuss nach dem andern.»

«Laut «Grenzpost» vom 22. September 1875 wurde die Eröffnung am 18. September um 11 Uhr 15 auch in Richterswil von der gesamten Schuljugend festlich empfangen. Während den vier zugemessenen Minuten Aufenthalt kredenzten weissgekleidete Jungfrauen den Ehrenwein. Bei der Rückfahrt von Glarus um 19 Uhr 13 «erglänzte Richtersweil der ganzen Bahnlinie entlang in einem Lichtermeer von 1500 Fackeln, welche aus mit Petroleum getränkten Turben bestanden. Sämtliche Schuljugend am Bahnhof, mit chinesischen Papierlaternen, im Hintergrund der 200 Fuss hohe Springbrunnen der Herren Zinggeler, bengalisch beleuchtet, dies alles gewährte einen Anblick, gegen welchen eine sogenannte ‚italienische Nacht‘ nur ein ‚Speuz‘ …»

Zwei Tage nach der Eröffnungsfahrt, am 20. September 1875, wurde auf der Strecke Wädenswil–Näfels der fahrplanmässige Betrieb aufgenommen. Täglich verkehrten in beiden Richtungen je acht Züge. Damit hatten die Gemeinden am linken Zürichseeufer nach jahrelangen Bemühungen endlich den Anschluss an des Verkehrsmittel der Zukunft gefunden.

Hohe Kostenüberschreitungen

Der Voranschlag für die Seebahn wurde wegen Bauschwierigkeiten und hohen Expropriationskosten massiv überschritten. Für die gesamte Strecke mussten 85 Gebäude abgerissen werden. Für das Jahr 1876 wurde der Betriebsverlust der Nordostbahn aus 32 446 Franken errechnet, während der Zinsverlust mit 1 244 250 Franken veranschlagt werden musste. Zusammen mit anderen ungünstigen Entwicklungen war der Bau der linksufrigen Seebahn dafür verantwortlich, dass die Nordostbahn schon 1877 ihren übrigen Bauverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte. Erst 1890 zeichnete sich eine Gesundung der Finanzen ab.

22. September 1875: Rutschungen in Horgen unterbrechen den Bahnverkehr

Am frühen Morgen des 22. September 1875, zwei Tage nach der Betriebsaufnahme, entdeckte man beim Dampfschiffsteg Horgen erneut Risse. Seemauer und Geleise hatten sich gesenkt. Trotzdem liess man die Züge nach 8 Uhr verkehren. Die Risse wuchsen indes bald, und der Bahnbetrieb musste schleunigst eingestellt werden. Im Laufe des Vormittags verschwanden die ersten Uferpartien im See. Die Häuser beim Bahnhof mussten geräumt werden. In den nächsten beiden Tagen erfolgten zwei weitere Rutschungen. Auf einer Strecke von 204 Metern Länge und bis zu einer grössten Breite von 48 Metern versanken insgesamt 6570 Quadratmeter Gelände im See. Der auf Pfählen gebaute Bahnhof und der Güterschuppen hatten sich beinahe einen halben Meter gesenkt. Bis zum Neujahr 1876 war der Bahnverkehr in Horgen unterbrochen; zwischen Horgen und Wädenswil verkehrten Dampfschiffe.


Bahnhof Horgen nach dem 22. September 1875, welcher nach nur 4 Tagen «Betriebszeit» bereits abgebrochen werden musste. (ETH Bibliothek)

Die Geleise wurden inzwischen in Horgen bergwärts verschoben, und als Personenbahnhof richtete man den «Meierhof» ein. Beim Dampfschiffsteg wurde ein provisorischer Güterschuppen erstellt. Auf Jahre hinaus musste sich nun Horgen mit einem Provisorium begnügen. Denn einerseits galt es, für einen neuen Bahnhof einen sicheren Standort zu finden, andererseits geriet die Nordostbahn 1877 wegen zahlreicher Bauverpflichtungen in finanzielle Schwierigkeiten. Im Januar 1879 verlangte eine von der Gemeinde Horgen bestellte 15gliedrige Eisenbahnkommission energische Schritte für eine definitive Bahnhofanlage. Im August 1881 kam endlich ein Vertragsentwurf zustande: Die Nordostbahn sollte vor dem Gasthof «Zum Weingarten» bis Ende 1883 die Station errichten und 20 000 Franken an eine Strasse zum Talacker beitragen, wogegen die Gemeinde auf Landentschädigung verzichtete. Wenn Horgen glaubte, nach sechs Jahren endlich einen Bahnhof zu bekommen, täuschte es sich. Es bedurfte weiterer hartnäckiger Verhandlungen und mühsamer Expropriationsverfahren, ehe der neue Bahnhof 1888 – am gleichen Ort wie heute – dem Verkehr übergeben werden konnte.

Die Entwicklung bis um 1900

Im Jahre 1876 verkehrten die Züge auf der Strecke Zürich–Glarus nach folgendem Fahrplan:

Zürich Richterswil Glarus
05.37 06.47 08.09
08.00 09.15 11.35
10.25 11.25 12.29
12.08 13.15 -
14.40 15.45 17.07
17.58 19.10 20.40
19.35 20.47 -
20.45 22.10 -

 

Wädenswil rückte schon bald zu den bedeutenderen Bahnstationen auf. 1877 wurde nämlich die Station für die Einführung der Wädenswil–Einsiedeln-Bahn erweitert. 1884 führte man auf der Strecke Paris–Wien einen Schnellzug ein. Er hielt auf folgenden Schweizer Stationen: Buchs, Weesen, Wädenswil, Zürich, Brugg und Basel. Wädenswil nahm damals unter den Stationen der Nordostbahn nach Personenzahl den achten, nach dem Gütergewicht den neunten Rang ein. Die Wädenswiler Gemeindeversammlung vom 20. Juni 1897 genehmigte einen Vertrag mit der Nordostbahngesellschaft betreffend den Bau einer Passerelle beim Restaurant «Schiffli». Die Brücke erleichterte den Fussgängerverkehr zwischen Bahnhofstrasse und Dampfbootlandesteg.

1890 wurden die Vorbereitungen für die längst gewünschte Strecke Thalwil–Zug wieder ernsthaft angepackt. Horgen meldete sofort wieder seinen früheren Anspruch auf eine zweite Station an. Die Gemeinde konnte auch das Projekt eines Durchstichs zwischen Thalwil und Oberrieden zu Fall bringen, mit dem Nachweis, dass ein Tunnel in seinem Gemeindegebiet um 1050 Meter kürzer sei als die Verbindung Oberrieden–Forsthaus Sihlwald. Die Sihltalbahn wurde in der Folge bis Sihlbrugg verlängert, und Horgen und Oberrieden erhielten an der 1897 eröffneten Linie Thalwil–Zug je eine Station.

1898 kam Zürich-Wollishofen zu einem neuen Stationsgebäude. Die Nordostbahn versetzte damals den 1864 nach Plänen von J.F. Wanner gebauten Bahnhof Zug Stein um Stein nach Wollishofen. Der bau der neuen Linie in Zug hatte nämlich dort eine neue Station in Insellage bedingt.

Aus finanziellen Gründen musste Freienbach beim Bau der linksufrigen Bahn im Jahre 1875 auf ein eigenes Stationsgebäude verzichten. Die Reisenden des Eröffnungszuges konnten am 18. September 1875 in Freienbach das steinerne Grabmal mit dunklen Fahnen und der Aufschrift «Station Freienbach» nicht übersehen. Während Bäch schon im Jahre 1900 eine Haltestelle erhielt, musste man sich in Freienbach bis 1927 gedulden. Allerdings bestand hier seit 1902 eine Haltestelle an der Südostbahnlinie.

1903–1921: Wädenswil diskutiert Stationserweiterungsprojekte

Kurz nachdem die Nordostbahn am 1. Januar 1902 in den Schweizerischen Bundesbahnen aufgegangen war, wurde an der Wädenswiler Bahnhofanlage verschiedentlich Kritik geübt. Die Räumlichkeiten im Aufnahmegebäude, namentlich die Bilettausgabe, das Gepäcklokal, das Telegrafenbüro und die Wartsäle, waren ungenügend. Es fehlte ein richtiger Perron vor dem Stationsgebäude und für den Personenverkehr der SOB. Die Verladeplätze waren zu klein. Vielfach musste für den Verlad auch die öffentliche Strasse benützt werden. Wegen der beschränkten Geleiseanlagen mussten mache Manöver auf dem Südostbahngeleise ausgeführt werden, was jedesmal die Sperrung des Niveauübergangs der Seestrasse zur Folge hatte. Schon im Jahre 1903 teilte die Kreisdirektion mit, Sie studiere die Erweiterung der Stationsanlage. Da ein entsprechender Posten für 1904 aber nicht budgetiert sei, könnten die Arbeiten jedoch frühestens im Jahre 1905 ausgeführt werden.

Am 23. August 1906 legten die Bundesbahnen ein erstes Stationserweiterungsprojekt vor, das mit Kosten von 1 630 000 Fr. rechnete. Vorgesehen waren die Erweiterung des bestehenden Aufnahmegebäudes und die Verlegung des Güterschuppens auf das Areal des Rothaushafens, den man eindecken wollte. Die Verhandlungen über die Begehren der Gemeinde und der Regierung, die sich jahrelang hinzog, führten zu keinem Ergebnis. Besonders schwierig waren sie wegen der Frage eines Ersatzes des in Anspruch genommenen Rothaushafens und wegen der Verbreiterung der Seestrasse als Zufahrtsstrasse zum neuen Güterschuppen. Da man nach diesem Projekt auch die Werkstätten der Südostbahn nach dem Giessen hätte verlegen müssen, stiess mach auch bei der SOB auf Schwierigkeiten.

Sechs Jahre später, am 18. Juli 1912, wurde die Vorlage durch ein neues Bahnhofprojekt der Bundesbahnen ersetzt. In der Hauptsache deckte es sich mit dem Projekt von 1906, doch wurden die Werkstätten der SOB an der früheren Stelle belassen. Der Güterschuppen sollte nach dem Rothaushafen verlegt werden, dafür wollte man am Giessenhorn einen gemeinsamen Hafen für die Gemeinde und für die Brauerei schaffen. Zwischen Bahnhof und Giessen, sollte der See ein zirka 650 Meter langer, durchschnittlich 17 Meter breiter Landstreifen aufgeschüttet werden. Die Kosten dieses Projektes waren auf 2 630 000 F. veranschlagt. Der Verwaltungsrat der SBB hatte den erforderlichen Kredit bereits bewilligt. Bald nach der Auflage des abgeänderten Projektes erhoben aber verschiedene Wädenswiler die Forderung, die Behörde möge rechtzeitig auch die Frage einer bergseitigen Verlegung der Bahn prüfen, da die Erweiterung des Bahnkörpers in den See hinaus ein bleibendes grosses Risiko in sich berge.

Der Gemeinderat liess in der Folge zwei Gegenprojekte ausarbeiten und stellte sie den Schweizerischen Bundesbahnen zur Prüfung zu. Professore K. E. Hilgard, Ingenieur in Zürich, machte Vorschläge für die Erweiterung der Stationsanlage am See. Der Güterbahnhof sollte an der bisherigen Stelle belassen, der Personenbahnhof in die Weinrebenanlage verlegt werden. Nach diesem Projekt, das von Hilgard auf 5 715 000 Fr., von den SBB auf 7 120 000 Fr. berechnet worden war, hätten 44 Häuser mit insgesamt 96 Wohnungen weichen müssen.

Das ebenfalls im Auftrag der Gemeinde ausgearbeitete Projekt von Oberingenieur Lüchinger in Zürich propagierte die Verlegung der Bahn im ganzen Abschnitt zwischen Oberort und Seegut. Der Personenbahnhof sollte am Schwanenplatz gebaut werden, der Güterbahnhof oberhalb der Wiesenstrasse. Diesem Bauvorhaben wären 61 Häuser mit total 103 Wohnungen zum Opfer gefallen. Das Projekt Lüchinger rechnete mit Baukosten von 8 340 000 Fr., die SBB allerdings veranschlagten die Ausgaben auf 12 130 000 Fr.

Der finanziellen Mehrkosten wegen traten die Bundesbahnen nicht auf die Gegenprojekte der Gemeinde Wädenswil ein. Trotz dieser ablehnenden Haltung der Generaldirektion erhielt der Gemeinderat, gestützt auf eine von 757 Stimmberechtigten unterzeichnete und in der Gemeindeversammlung vom 19. Mai 1912 erheblich erklärte Motion, an der bergseitigen Verlegung der Bahn fest. Die Behörde ersuchte hierauf das Eidgenössische Eisenbahndepartement, das Projekt der SBB für die Bahnhofserweiterung am See zurückzuweisen mit der Einladung, das Projekt für eine bergseitige Bahnverlegung auszuarbeiten. Zugleich stellte der Gemeinderat eine Reihe von Abänderungsbegehren zum Bahnhofsprojekt der SBB und zu dem inzwischen ebenfalls eingetroffenen Projektplan für die Führung des zweiten Geleises im Gemeindebann Wädenswil. Die Verhandlungen über die Begehren der Gemeinde nahmen mehrere Jahre in Anspruch und machten seitens der SBB zahlreiche weitere Projektstudien notwendig.

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges gerieten die Verhandlungen ins Stocken. Erst im Mai 1916 wurde die Angelegenheit wieder aufgegriffen. Nachdem die SBB mit Unterstützung des Eisenbahndepartements die bergseitige Verlegung der Bahn endgültig abgelehnt hatten, die SBB-Vorlage von 1912 aber lediglich als Kampfprojekt aufzufassen war, legte der Gemeinderat Wädenswil am 9. Dezember 1919 als Basis für weitere Verhandlungen eine neues Erweiterungsprojekt von Ingenieur Sommer aus St. Gallen vor. Dieses lehnte sich im Prinzip an das Bundesbahnprojekt an, bot aber verkehrstechnische Vorteile. Es sah eine Vermehrung der Geleiseanlagen bei der Station vor, brachte grösseren Freiladeraum und die Erstellung von Hafen- und Quaianlagen. Das Projekt der SBB und das Projekt der Gemeinde setzten umfangreiche Seeauffüllungen voraus. Auf Veranlassung der Kantonsregierung wurden daher die SBB angewiesen, den Seegrund im Aufschüttungsgebiet zu untersuchen. Die im Jahre 1921 ausgeführten Probeschüttungen im See ausserhalb des Aufnahmegebäudes ergaben sehr ungünstige Resultate. Es zeigte sich, dass die Erweiterung der Bahnanlage in den See hinaus eine grosse und bleibende Gefahr in sich schliessen würde. Rutschungen wie jene im Bahnhofsgebiet von Horgen im September 1875 wären nicht auszuschliessen gewesen.

Auf Grund der Versuche und gestützt auf ein geologisches Gutachten lehnten die SBB die Ausführung eines Projektes mit Seeauffüllung ab. Die Sache musste neu studiert werden.

Elektrifikation und Doppelspur

Weil die aufgestellten neuen Bahnhofprojekte immer wieder geändert werden mussten, waren die SBB genötigt, noch vorgängig der Bahnhofserweiterung die Elektrifikation und die Einführung der Doppelspur in den Bahnhof durchzuführen. Der Ausbau auf Doppelspur war ein altes Postulat. Schon am 8. Oktober 1912 hatten die SBB eine erste Publikation erlassen betreffend Exporpriationen für den Bau des zweiten Geleises im Abschnitt zwischen Thalwil und Richterswil. Am 12. September 1919 stimmte die das Eisenbahndepartement der Linienführung auf dem Gebiet der Gemeinde Wädenswil zu. Im Sommer 1921 war der Bahndamm für das zweite Geleise von der Station Au bis zum Oberort vollendet und für die Geleiseverlegung bereit. Gleichzeitig war die Strecke Giessen bis Mülenen im Bau. Sollte das neue Geleise im Dorfgebiet seeseits oder bergwärts des bestehenden Schienenstrangs angelegt werden? Die Trasseführung bereitete einiges Kopfzerbrechen. Im Juli 1922 waren die Arbeiten im Gebiet der Weinrebenanlage in vollem Gange. Die seeseitige Verlegung des Bahndammes brachte indessen erhebliche Schwierigkeiten und machte umfangreiche Pfählungsarbeiten nötig. Sie dauerten nahezu ein Jahr. Auf einer Strecke von knapp hundert Metern Länge wurden 84 Eisenbetonpfähle von 42 Zentimeter Durchmesser eingerammt. 52 Pfähle waren 22,5 Meter lang, 28 Pfähle massen je 16 Meter, 4 Pfähle je 14 Meter. Im folgenden Jahr wurden die Arbeiten auch im Gebiet beidseits des Bahnhofes vorangetrieben. Wiederum fielen Gärten, Zinnen und Vorplätze dem Bahnbau zum Opfer. Benzinlokomotiven beförderten das in Rollwagen verladene Material nach der Rietliau, wo es zur Verbreiterung und Sicherung des gleichzeitig gebauten Seeweges angeschüttet wurde. Am 2. Juni 1925 wurde die Doppelspur Wädenswil–Richterswil eröffnet, am 4. Juni 1925 die Doppelspur Au-Wädenswil. Alle Züge fuhren nun auf beiden Geleisen elektrisch. Der elektrische Betrieb war auf diesem Geleise bereits mit dem Fahrplanwechsel vom 1. Juni 1924 aufgenommen worden. Nicht alle Wädenswiler freuten sich indessen über die Neuerung. Im August 1925 beschwerten sich zahlreiche Anwohner des Bahnhofquartiers in einer an die Kreisdirektion III der SBB gerichtete Eingabe «über den markdurchdringenden, geradezu gesundheitsschädlichen Lärm bei der Bremsbetätigung der elektrischen Zugslokomotiven».


Bundesrat Forrer (links aussen) anlässlich der Besprechung wegen der Elektrifikation der SBB am 16. Mai 1916 in Richterswil. (Ortsmuseum Richterswil)

Das seltene Bild wurde am 16.05.1916 von Fr. Wuhrmann, Wirtstochter im Rest. «Bahnhöfli» aufgenommen. Es zeigt links aussen den damaligen Bundesrat Ludwig Johann Forrer (1845–1921), (Bundesrat von 1902–1917), anlässlich einer Besammlung wegen der Elektrifikation der SBB. Vermutlich befinden sich unter den weiteren Herrn auch Oberst Hch. Landis aus der «Steinburg» sowie Herr Paul Frey-Landis. (geschenkt von Frau Wettstein-Wuhrmann).


Ausbau auf Doppelspur bei Oberrieden, ca. 1923. (Doku-Stelle, Oberrieden)

Der Bahnhofumbau von 1930/32

Nachdem der Ausbau auf Doppelspur und die Elektrifikation der Bahnlinien zum guten Abschluss gekommen waren, griff man das heikle Problem des Bahnhofsneubaus auf. Auf wiederholtes Drängen des Gemeinderates legten die Bundesbahnen am 12. Februar 1929 ein neues Projekt vor. Dieses entspracht aber weder in betriebstechnischer noch in städtebaulicher Hinsicht den Bedürfnissen einer zweckdienlichen Bahnhofanlage und wurde vom Gemeinderat als unannehmbar bezeichnet. Der Regierungsrat nahm den gleichen Standpunkt ein. Nach diesem Projekt hätte man das Aufnahmegebäude am gleichen Standort belassen und lediglich anders ausgebaut und etwas vergrössert. Die Freiverladeplätze waren ganz unzugänglich. Zudem hatte ein mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertrauter Ingenieur eine Unterführung im unsicheren Aufschüttungsgebiet zwischen Passerelle und Stellwerk Projektiert.
Am 29. November 1929 legten die Bundesbahnen ein neues Projekt vor, das dann in den 1930 bis 1932 verwirklicht wurde. Die Vorlage machte folgende Schlagzeilen: «Erweiterung der Bahnhofes Wädenswil – Das 3-Millionen Umbauprojekt der SBB mit Verlegung des Personenbahnhofes an Stelle des heutigen ‚Schiffli‘ – der Güterbahnhof bleibt – Beitrag der Gemeinde Wädenswil von 200 000 Franken». In der Urnenabstimmung vom 23. Februar 1930 wurde die Vorlage mit 1356 Ja gegen 497 Nein angenommen. Gleichzeitig hiessen die Stimmberechtigten die vom Gemeinderat vorgelegten Verträge gut.


Vom 6. – 10. August 1931 werden für den Bahnhofsausbau 16 Altbauten abgerissen. (Digitalarchiv Peter Ziegler, DOZ)

Bahnhofsumbau von 1930–1932 brachte bauliche Veränderungen des Dorfbildes mit sich, wie man sie in Wädenswil seit dem Bahnbau in den 1870er Jahren nicht mehr erlebt hatte. Das ganze Bahnhofstrasse- und Kronengasse-Quartier mit insgesamt 16 Häusern musste weichen. Hier wurden in der Folge der Bahnhofplatz angelegt und der Kronenblock und das neue Stationsgebäude errichtet. An der Kirchweih 1932 konnte man erstmals durch die Personenunterführung schreiten. Mit der Eröffnung dieses Durchgangs hob man den Niveau-Übergang beim «Engel» auf. Am 29. Oktober 1932 nahmen die SBB den neuen Bahnhof Wädenswil in Betrieb.

Bahnhof Wädenswil mit Bahnhofplatz und Kronenblock, 1936. (BKW, Archiv Peter Ziegler)

Die neue Anlage war grosszügig konzipiert, und bis heute ist nur wenig daran geändert worden. Die Stationsbüros, die Schalterhalle, der Gepäckraum und die Wartsäle waren weitsichtig geplant. Modern war auch das gut eingerichtete Reiterstellwerk zwischen Güterschuppen und Bahnhof.

Neugestaltung der Bahnhofanlage Thalwil

Quelle: Ziegler, Peter: Hundert Jahre Eisenbahnlinie Zürich–Richterswil, in: Linkes Ufer, Nr. 205 vom 05.09.1975 - zusätzliche Bilder LZB

Als Beispiel aus der jüngeren Geschichte der Bahnlinie Zürich–Richterswil seien die im Sommer 1965 abgeschlossenen Arbeiten zur Neugestaltung des wichtigen Vororts- und Abzweigebahnhofes Thalwil erwähnt.
Die unmittelbare Veranlassung, den Bahnhof Thalwil umzubauen, gab der Bau des zweiten Geleises auf der Strecke Thalwil–Horgen-Oberdorf. Wäre die neue Doppelspur von Horgen-Oberdorf niveaugleich in den Bahnhof Thalwil eingeführt worden, so hätte das Geleise aus der Richtung Wädenswil dasjenige nach Zug überschritten. Eine Zugseinfahrt aus der Seelinie Richtung Zürich hätte also eine gleichzeitige Zugsausfahrt von Thalwil nach Horgen-Oberdorf verunmöglicht. Um eine solche Behinderung des Zugsverkehrs zu vermeiden, wurde eine Überwerfung gebaut. Diese besteht aus einer Brückenkonstruktion, auf welcher die Doppelspur nach Horgen-Oberdorf über das seeseitige Geleise von Oberrieden geführt ist. Um das Umsteigen bei knappen Anschlüssen von Zügen aus der Richtung Zug auf solche in die Richtung Ziegelbrücke zu erleichtern und zu beschleunigen, wurde eine Weichenverbindung eingebaut, welche es möglich macht, die Züge auf die Geleise des gleichen Perrons einfahren zu lassen.

Bau der Brückenkonstruktion in Thalwil, 1962. (SBB Historic)

Im Zuge der Neugestaltung der Bahnhofsanlage Thalwil ersetzte man das frühere Reiterstellwerk durch ein modernes elektrisches Geleisebild-Stellwerk. Der Beamte des Fahrdienstes sieht nun auf dem ausgeleuchteten Geleiseplan des Kommandopultes, welche Geleise frei und welche besetzt sind. Durch Tastendruck werden die Weichen über Relaissteuerung und Motorenantrieb in die gewünschte Fahrstrassenstellung gebracht, und die zugehörigen Signale werden auf «Fahrt» gestellt. Bei belegten Gleiseabschnitten kann die Weichenstellung nicht verändert werden. Durch das neue Stellwerk wurde der Betriebsablauf wesentlich beschleunigt, und es konnten sechs Stellwerkwärter eingespart werden.
Das neue Stellwerk hätte mindestens einen Umbau des Aufnahmegebäudes bedingt. Die SBB entschlossen sich daher zur teureren, aber zweckmässigeren Lösung eines Bahnhofneubaus. Das neue Bahnhofsgebäude Thalwil ist ein reiner Zweckbau. Im modernen, die horizontale Linie betonenden Baukörper aus Beton vereinigen sich Räume für die technischen Anlagen, Betriebs- und Publikumsräume, sowie zwei Dienstwohnungen.

Alter Bahnhof Thalwil, 1961. (SBB Historic)

Mit dem Umbau der Geleiseanlagen wurden die beiden Zwischenperrons auf 370 m verlängert, und als neue Zugänge zu den Perrons schuf man zwei breitere Passerellen. Die im Bahnhof Thalwil verwirklichte Infr-Weichenheizanlage war im Jahre 1965 eine der ersten grösseren Weichenheizanlagen auf dem Netz der SBB überhaupt.
Die Verbesserungen im Bahnhof Thalwil hatten mehr als nur lokale Bedeutung. Sie waren ein Teilstück einer umfassenden Kapazitätssteigerung der Bahnanlagen in und um Zürich, welche gegen Ende einer hundertjährigen Entwicklung durch die Bevölkerungszunahme und die wirtschaftliche Entfaltung zur Dringlichkeit geworden war.

Altes kopfsteingepflastertes Zwischenperron und alte Passerelle Nord, 1955. Sicht auf neue Passerelle Süd, neues Aufnahmegebäude (Arch. Max Vogt), dahinter alter Güterschuppen, 1965. (SBB Historic)

Abkürzungen

BKW Baukultur Wädenswil
DOZ Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee, Wädenswil
LZB Verein «150 Jahre linksufrige Zürichseebahn», Wädenswil


Bildnachweis

Header Bild: Wädenswil, Giessen 15.11.1997, Bleistiftzeichnung Fritz Ostertag-Beringer
Stationen Bendlikon, Thalwil, Abrutschungen Horgen, 1875. (ETH Bibliothek,
https://crowdsourcing.ethz.ch/2020/07/31/die-linksufrige-zuerichseebahn)

Weitere Artikel Baugeschichte & Jubiläen

DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER EISENBAHN
Quelle: Wädenswil Zweiter Band, 1972, von Peter Ziegler, S. 133-140

LINKSUFRIGE ZÜRICHSEE-BAHN - AUS DEN ANNALEN DER LINKSUFRIGEN
Quelle: Werner Neuhaus, Separatdruck «Zürichsee-Zeitung» Th. Gut+Co. Verlag, 8712 Stäfa

ALS DIE EISENBAHN KAM
Quelle: Text zur Sonderausstellung im Ortsmuseum Sust von Christina Kovarik, Zürich & Robert Urscheler, Horgen

EISENBAHN: DIE «LINKSUFRIGE»
Quelle: Aus der Richterswiler Verkehrsgeschichte von Richterswil V 1977 von Adolf Attinger, S. 70-81

VON DER WÄDENSWIL–EINSIEDELN-BAHN ZUR SÜDOSTBAHN
Quelle: Wädenswil Zweiter Band, 1972 von Peter Ziegler, S. 141-150

DAS «PARADESTÜCK DER SCHWEIZERBAHNEN» IST HUNDERT JAHRE ALT GEWORDEN
Quelle: Thalwiler Anzeiger, September 1975, aus Sammlung Ortsmuseum Richterswil, zusätzliche Bilder LZB

100 JAHRE EISENBAHNLINIE ZÜRICH–RICHTERSWIL
Quelle: Grenzpost, September 1975, Ziegler Peter aus Sammlung Ortsmuseum Richterswil

HUNDERT JAHRE WÄDENSWIL–EINSIEDELN-BAHN
Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1977 von Peter Ziegler, S. 53-59