DIE VERBINDUNG NACH RAPPERSWIL

Autorin: Irene Herzog-Feusi, Pfäffikon, Juli 2025

Inhaltsverzeichnis

Brückenzoll und Streitigkeiten
Grosser Bedarf
Eine Frage des Geldes
Gemeinschaftswerk
Besonders wichtiges Teilstück Rapperswil–Pfäffikon
Anmerkungen

Pfäffikon als Verkehrsknotenpunkt ist aufs Engste verknüpft mit den Bemühungen um einen festen Übergang zwischen dem Nord- und Südufer des Zürichsees.


1 Seedamm vor Rapperswil.

Brückenzoll und Streitigkeiten

Der Bau einer Überseeverbindung zwischen den natürlichen Landzungen von Rapperswil und Hurden war schon für die Römer wichtig. In Kempraten am Untersee und in Busskirch am Obersee waren römische Umladestationen errichtet worden, die bei niederem Wasserstand die Nord-Süd-Verbindung über eine kurze Landbrücke vermittelten. Ein lohnendes Geschäft.

Im Mittelalter erwuchs ein immer grösserer Pilgerstrom aus den Gebieten Süddeutschlands, Bayerns, dem Vorarlberg und dem Rheintal über die Rickenstrasse via Rapperswil nach Einsiedeln. Erzherzog Rudolf IV., auch der Geistreiche oder der Stifter genannt, erkannte den Wert einer festen Verbindung zwischen Rapperswil mit dem jenseitigen Ufer.

Der Brückenschlag begann am 24. Juli 1358 und zwei Jahre später war das Meisterwerk vollendet. Es wurde aus Eichenholz erbaut, mass 1850 Schritt in der Länge und hatte 564 Pfeiler, wozu 188 Joche Holz benötigt wurden. Die Brücke hatte lediglich dem Fussgänger- und Tierverkehr zu dienen. Der Wagenverkehr war zu jener Zeit – mit schlechten Strassen – ohnehin unbedeutend. Geländer besass die Brücke nicht. Die Laden waren lose auf die Rahmen gelegt, damit bei Sturm nicht etwa das ganze Fachwerk auseinandergerisssen werde. Ab und zu soll es vorgekommen sein, dass sich die Passanten der Länge nach hinlegen mussten, bis man sie mit Booten holen konnte.

Die Rapperswiler Brücke galt lange als ein Wunderwerk. Zur Deckung der Baukosten und des Unterhalts wurde von Rudolf ein Brückenzoll eingeführt, der dann später an Rapperswil als freie Reichsstadt fiel. Er wurde von einem «Zoller» eingetrieben, der auch einen Kramladen führen durfte und gemäss Überlieferung jeweils am frühen Morgen «mit dem Bettelvogt fremde Bettler, aber auch Diebe und Verbrecher über die Brücke abzuschieben hatte».


2 Älteste Ansicht der Seebrücke mit Brand in Hurden.

Die Brücke brachte so grosse wirtschaftliche Vorteile, dass es deswegen auch zu militärischen Auseinandersetzungen kam. Aus Ärger über den Bau der Seeverbindung und die entsprechenden Nachteile für die Zürcher nahm ein zürcherisches Streifkommando nach dem Sempacherkrieg (1386) eine nächtliche Brückenschädigung vor.

Kurze Zeit später wurde die Seebrücke von Schwyzern und Glarnern zum Teil durch Feuer zerstört (1415). Zürich musste mit Zahlungen besänftigt werden und auch die Hurdener wurden durch die Zahlung von 300 Pfund Zürcher Pfennige so weit zufriedengestellt, dass sie zusagten, auch im Streitfall auf keinen Fall die Brücke zu verbrennen oder dazu Hilfe zu leisten.

Im alten Zürichkrieg (1444) setzten die Schwyzer die Seebrücke ohne Kriegserklärung in Brand und rund dreieinhalb Jahrhunderte später, nachdem die französische Armee 1799 die Seebrücke für ihren Rückzug ans schwyzerische Ufer benützt hatte, gefolgt von einem Batallion Zürcher und Berner, wurde die Brücke erneut vollständig zerstört.

Das restaurierte Werk wurde 1805 wieder in Betrieb genommen und erweitert. Man verband die Brückenkonstruktion stabil mit eisernen Schrauben und hölzernen Schrägbändern, und an drei Stellen wurden Spezialkonstruktionen für Schiffsdurchfahrten angebracht.


3 Rapperswil um 1820 mit der alten Holzbrücke und dem Heilighüsli.


4 Hurden, erstes Viertel des 19. Jahrhunderts, im Vordergrund der alte Holzsteg.

Ein letztes Mal brachen Schwyzer Truppen die Holzbrücke im Sonderbundskrieg (1847) auf einer kurzen Strecke ab. Den Schaden übernahm der Bund (mit 1198 Gulden 40 Pfund).

Am 31. Januar 1850 fiel der Brückenzoll endgültig dahin, da die Bundesverfassung sämtliche Binnenzölle aufgehoben hatte.

Damit begann eine neue Ära: Der Seedamm erlangte eidgenössisches Interesse.

Grosser Bedarf

Mit dem Fall des Brückenzolles hatte sich der Straßenverkehr auf der Seedammstrecke sofort um das Zehnfache gesteigert, sodass eine grundlegende Verbesserung der Brücken- und der Straßenverhältnisse angezeigt war.

Doch erst nach der aufwändigen Verstärkung des Unterbaus und vor allem der Brücken konnte die Bahnstrecke von Rapperswil bis Pfäffikon ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung, der Vermittlung des Durchgangverkehrs von der Ost- in die Zentralschweiz, vom Bodensee zum Vierwaldstättersee, zugeführt werden.

Eine Frage des Geldes

Schon im Jahre 1858 tauchte das Projekt der Ost-Westbahn auf, welches Rapperswil über Zug mit Luzern verbinden sollte. Die Verwirklichung dieses Bahnprojektes war jedoch aus finanziellen Gründen nicht möglich. Bald darauf wurde bekannt, daß die Zürichsee-Gotthard-Bahn eine Verbindung zwischen Rapperswil und Brunnen herzustellen beabsichtigte. Wiederum gelang es nicht, die nötigen Mittel aufzubringen und es konnte in der Folge nur das Teilstück von Rapperswil nach Pfäffikon erstellt werden.

Im August 1878 – nach Überwindung weiterer finanzieller Schwierigkeiten – konnten dann die Bahn- und Strassenbrücken endlich dem Verkehr übergeben werden.


6 Seedammeinweihung am 26. August 1878.



7 Eisenbahngleis auf dem Seedamm, fotografiert von Leo Wehrli, 1894.

Gemeinschaftswerk

Wegen grossen Finanzsorgen strebte die Zürichsee-Gotthard-Bahn die Abtretung ihrer Anlagen an die Vereinigten Schweizerbahnen an, was ihr jedoch nicht gelang. Nach langwierigen Verhandlungen fand endlich eine Fusionierung mit der im Jahre 1877 dem Betrieb übergebenen Wädenswil–Einsiedeln-Bahn statt. Um von Rapperswil eine direkte Verbindung an die Gotthardbahn zu erlangen, wurden in der Folge die beiden Teilstücke Pfäffikon–Samstagern und Biberbrugg–Arth-Goldau gebaut und im Jahre 1889 zur Schweizerischen Südostbahn zusammengeschlossen.

Durch diese Fusionierung gelangte die Schweizerische Südostbahn nicht nur in den Besitz der Bahn-, sondern auch der Strassenbrücken und musste von diesem Zeitpunkt an für den laufenden Unterhalt aufkommen.

So unwahrscheinlich es klingen mag: Die Schweizerische Südostbahn und ihre Rechtsvorgängerin hatten als private Bahnunternehmen während vollen sieben Jahrzehnten die Unterhaltspflicht und Verantwortung über die Verkehrssicherheit für den ganzen Seedamm auf ihren schmalen Schultern getragen und damit gleichsam ihre Konkurrenz, den Straßenverkehr, aus bahneigenen Mitteln gefördert.

Während diese Last für die Südostbahn anfänglich noch einigermassen tragbar erschien, wurde mit dem Aufkommen des Automobils und der damit bedingten nochmaligen Zunahme des Strassenverkehrs die Bürde bald unerträglich, umso mehr, als die SOB mit eigenen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.

Es war deshalb durchaus verständlich, daß die Schweizerische Südostbahn an einer grosszügigen Gemeinschaftsarbeit sehr interessiert war.

Die neuerliche Intensivierung des Strassenverkehrs nach dem ersten Weltkrieg führte zur Erkenntnis, dass es nicht angehe, eine private, mit Geldsorgen kämpfende Privatbahn mit dem dauernden Unterhalt und der Erneuerung einer der wichtigsten schweizerischen Transitstrassen dauernd zu belasten.

Deshalb kamen die Kantone Zürich, Schwyz und St. Gallen 1932 mit der Südostbahn überein, gemeinschaftlich die Verkehrswege zwischen Rapperswil und Pfäffikon den erhöhten Ansprüchen anzupassen, wobei der Bund als Subventionsgeber tatkräftig mithalf. Die Südostbahn hatte sich vertraglich verpflichtet, einen Beitrag von 480‘000 Fr. an die Gesamtbausumme beizutragen. Die kriegsbedingte Teuerung erforderte jedoch von der SOB einen Gesamtbeitrag von 955 000 Franken.


8 9 «Wie das Gesicht der alten Einfahrt wesentlich verbessert wurde».



10 11 «Wie aus dem alten Damm von 1878 derjenige von 1951 wurde».

Mit Wirkung ab 15. September 1951 konnte die SOB endlich den Besitz und damit den dauernden Unterhalt der Seedammstrassenbrücken an die beiden territorial beteiligten Kantone St.Gallen und Schwyz abtreten.

Das Bauwerk gewährleistete allen betrieblichen Anforderungen genügende neue Bahnbrücken.


12 Das alte Bahntrassee der Schweizerischen Südostbahn (rechts) wurde nach dem Bau der neuen Rampen bis auf die Höhe des Durchstichs (Kanals) endgültig aufgegeben.

 


13 14 Das «Südostbähnli» entwickelte sich zur leistungsfähigen SOB.


15 Begegnung beim Durchstich/Kanal.


Besonders wichtiges Teilstück Rapperswil–Pfäffikon 

Die Strecke Rapperswil–Pfäffikon wurde damit zu einer der am lebhaftesten befahrenen Bahnstrecken der Schweiz.

Während im Jahre 1891 zwischen Rapperswil und Pfäffikon täglich nur 12 Züge verkehrten, stieg im Jahre 1938, d.h. im letzten Jahr des Dampfbetriebes, die Zahl der täglich geführten Züge auf 30, während bei Fertigstellung des Seedamm-Umbaus (1951) die gleiche Strecke von 52 Zügen befahren wurde. In Zeiten des Ausflugsverkehrs, besonders an Sonntagen, wird diese Strecke auch durch zahlreiche Extrazüge belegt. Aus diesem Grunde wurde denn auch schon Mitte des letzten Jahrhunderts vorgesehen, als Abschluss der Bahnbauten die Strecke Rapperswil–Pfäffikon durch einen vollautomatischen Streckenblock mit Achszählung zu sichern. Dieser wurde im Frühjahr 1952 in Betrieb genommen.


16 Sicht von Rapperswil–Jona auf den Seedamm und Etzel.

Damit entsprach die landschaftlich einzigartig schöne Strecke Rapperswil–Pfäffikon auch in technischer Hinsicht allen Anforderungen. Die Fahrzeit konnte durch die Verbesserung des Trassees und dank der Elektrifikation gegenüber 1891 von acht auf vier Minuten, d.h. auf die Hälfte reduziert werden.

Die Südostbahn konnte damit auch fahrplantechnisch optimierte Anschlüsse von Rapperswil nach dem rechten Zürichseeufer, dem Glattal, dem Tösstal und der Transitlinie in Richtung St. Gallen herstellen. Die Verstärkung der Dammbrücken sowie die Elektrifikation erlaubte es der Südostbahn, sich im Verkehr Zentralschweiz – Ostschweiz als wichtige Transitbahn einzuschalten.

Die aus dem neu geschaffenen Transitverkehr erzielten zusätzlichen Einnahmen waren für die Erhaltung der SOB unentbehrlich. Sie setzte sich unentwegt für die Führung direkter Züge St. Gallen–Arth-Goldau–Luzern ein, und es gelang ihr in guter Zusammenarbeit mit den Bundesbahnen und der benachbarten Bodensee-Toggenburgbahn, direkte Städteschnellzüge mit modernstem Rollmaterial und Buffetwagen auf dieser Transitlinie einzusetzen.


Anmerkungen

Abkürzungen

BKW Baukultur Wädenswil
DOZ Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee, Wädenswil
LZB Verein «150 Jahre linksufrige Zürichseebahn», Wädenswil

Quellen- und Literaturnachweis

«Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951», offizielles Dokumentationswerk unter dem Patronat der Seedammbaukommission, 1951

Bildnachweis

Header Bild: Zürichsee-Gotthardbahn, 1873, Fotografie von Frau Alwina Gossauer, Rapperswil, Druck von Gebr. Benziger, Einsiedeln, 1879
1 Bildquelle Wikipedia
2 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
3 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
4 Die Kunstdenkmäler der Schweiz, neue Ausgabe Band IV, Der Bezirk Höfe, Anja Buschow Oechslin
5 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
6 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
7 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
8 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
9 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
10 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
11 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
12 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
13 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
14 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
15 «Der Seedamm-Umbau von Rapperswil 1939-1951»
16 LuftbilderSchweiz.ch Rapperswil-Jona

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DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER EISENBAHN
Quelle: Wädenswil Zweiter Band, 1972, von Peter Ziegler, S. 133-140

LINKSUFRIGE ZÜRICHSEE-BAHN - AUS DEN ANNALEN DER LINKSUFRIGEN
Quelle: Werner Neuhaus, Separatdruck «Zürichsee-Zeitung» Th. Gut+Co. Verlag, 8712 Stäfa

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Quelle: Text zur Sonderausstellung im Ortsmuseum Sust von Christina Kovarik, Zürich & Robert Urscheler, Horgen

EISENBAHN: DIE «LINKSUFRIGE»
Quelle: Aus der Richterswiler Verkehrsgeschichte von Richterswil V 1977 von Adolf Attinger, S. 70-81

VON DER WÄDENSWIL–EINSIEDELN-BAHN ZUR SÜDOSTBAHN
Quelle: Wädenswil Zweiter Band, 1972 von Peter Ziegler, S. 141-150

DAS «PARADESTÜCK DER SCHWEIZERBAHNEN» IST HUNDERT JAHRE ALT GEWORDEN
Quelle: Thalwiler Anzeiger, September 1975, aus Sammlung Ortsmuseum Richterswil, zusätzliche Bilder LZB

100 JAHRE EISENBAHNLINIE ZÜRICH–RICHTERSWIL
Quelle: Grenzpost, September 1975, Ziegler Peter aus Sammlung Ortsmuseum Richterswil

HUNDERT JAHRE WÄDENSWIL–EINSIEDELN-BAHN
Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1977 von Peter Ziegler, S. 53-59


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