AUS DEN ANNALEN DER SÜDOSTBAHN

Quelle: Werner Neuhaus, Separatdruck «Zürichsee-Zeitung», 1987, Th. Gut+Co. Verlag, 8712 Stäfa, zusätzliche Bilder LZB


0 «Achtung auf den Zug»: Mit «Wig-Wag-Signalen» wurden in Samstagern und Hurden die damals noch seltenen Strassenbenützer gewarnt. Beim Herannahen eines Zuges pendelte eine runde Scheibe mit der Aufschrift «Halt» aus dem Kasten hervor, und eine Glocke ertönte.

Inhaltsverzeichnis

Ein Start mit Zwischenfällen
Schwierigkeiten mit der Steigung
Hübsche Bahnwagen ohne Schienenwege
Ein verbessertes Zahnstangensystem wird erprobt
Drei Lokomotiven werden bestellt
Eine Bahnverbindung über den Zürichsee
Bald schon finanzielle Schwierigkeiten
Betrieb mit gemietetem Rollmaterial
Der Seedamm erhält eine Bahn
Die Bahn sorgt für den Strassenunterhalt
Nichtbezahlung «wegen Mangel an Mitteln»
Eine juristische und eine eisenbahntechnische Fusion
Ein regelrechtes Eisenbahnkreuz entstand zwischen Rapperswil und Goldau sowie zwischen Wädenswil und Einsiedeln
Ein Übeltäter findet Unterschlupf
«Unqualifiziertes Attentat» auf den Verwaltungsrat
Zusammenschluss der beiden Bahnstrecken
Das lange Warten auf den elektrischen Fahrdraht
Hochwasser überschwemmte 1934 die Station Biberbrugg
Chur–Luzern via Rapperswil
Spezielle «Wig-Wag-Signale»
Der elektrische Fahrdraht kommt
Mit Schwung ins 21. Jahrhundert
Züge vom Bodensee über Luzern–Entlebuch nach Bern?
Die Unglücksjahre 1947 und 1948
Kiestransport für den Bau der N 3
Der legendäre «Gipfeliexpress»
Dank Oswald Steam noch heute Dampf bei der SOB
Anmerkungen

Ein Start mit Zwischenfällen

Schwierigkeiten mit der Steigung

In seinem Rückblick auf die ersten 50 Jahre der Südostbahn bemerkte Dr. Hans Gwalter (Rapperswil), der damalige Präsident der Direktionskommission, die Geschichte der Bahn führe nicht auf ebenen Wegen empor zur Vollendung. «Sie ist eine Geschichte des Leidens, eine immerwährende Wiederholung und Rückkehr von Fährnissen und Widerwärtigkeiten. Nur mit unendlichen Mühen und grössten Opfern an Zeit und Geld, ja sogar an Menschenleben, konnten die sich auf lange Jahre hinziehenden Arbeiten vollendet werden.»
Nicht schlecht mögen wohl die Einwohner von Einsiedeln am Neujahrstag 1870 gestaunt haben, als sie die folgende Einladung ihres Bezirksammanns Dr. Karl Birchler zu lesen bekamen:

Einladung
Werthe Mitbürger!
Das neue Jahr bringt uns als gute Vorbedeutung eine seltene Ueberraschung. – Unsere Nachbargemeinde Wädensweil hat die Erstellung einer Eisenbahn zwischen Einsiedeln und Wädensweil angeregt.
Die immensen Vortheile, welche eine direkte Schienen-Verbindung mit dem Zürchersee für die Entwicklung unseres Verkehrs und die ganze Zukunft Einsiedeln haben müsste, sind jedem Unbefangenen einleuchtend.
Es frägt sich nun, sollen wir Einsiedler zur Verwirklichung eines solchen Unternehmens Hand bieten, und welche Opfer wären wir eventuell aufzubringen bereit.
Weil die Sache aus verschiedenen Gründen sehr dringend ist, und um die Stimmung der einsiedlerischen Bevölkerung gegenüber dieser hochwertigen Frage kennen zu lernen, erlaubt sich der Unterzeichnete, auf den Wunsch mehrerer Mitbürger, die Titl. Bürgerschaft zu einer Volksversammlung einzuladen.

Diese Versammlung wird Morgens, Sonntag den 2. Januar, Nachmittags halb 1 Uhr in der Schulhauskirche stattfinden.

Berathen wir mit aller Ruhe und Gründlichkeit, wie es der hohen Bedeutung und dem Ernst des Gegenstandes angemessen ist, was unseren Interessen frommt!
Mitbürger! Erscheint darum recht zahlreich an der Volksversammlung in der Schulhauskirche!

Einsiedeln, den 1. Januar 1870.
Namens mehrerer Bürger:
Dr. Karl Bircher, Bezirksammann.

Rund 700 Personen fanden sich in der Schulhauskirche ein, wo die «Anhandnahme eines bezüglichen Projektes» beschlossen wurde. Da bereits am Vortag eine ähnliche Versammlung im Saal des Gasthofs Zum Engel in Wädensweil, dem geplanten Ausgangspunkt der neuen Bahnlinie, stattgefunden hatte, sollte einer baldigen Verwirklichung der Eisenbahn kaum mehr etwas im Wege stehen. Der Zürcher Kantonsrat erteilte am 2. März 1870 die kantonale Konzession zum Bahnbau, am 22. Juni desselben Jahres folgte die Zustimmung des Kantons Schwyz, und auf Ende Jahr schliesslich traf der «Segen» der Bundesversammlung aus Bern ein.
Der beauftragte Kantonsingenieur Kaspar Wetli (1822–1889) lieferte im Frühjahr 1871 nicht nur ein Projekt mit technischem Bericht ab, sondern sorgte zudem für den Abschluss eines Bauvertrags mit der englischen Firma Kuchen & Napier (diese hatte sich damals ebenfalls bereit erklärt, die linksufrige Zürichseelinie zu bauen).


1 Die Bahnlinie bei Schindellegi (Abbildung aus der bereits 1875, also zwei Jahre Jahre vor der Bahneröffnung, erschienenen Schrift «Die Wädenswil–Einsiedeln-Bahn»).


Hübsche Bahnwagen ohne Schienenwege

Noch bevor aber mit den Bahnarbeiten begonnen werden konnte, wurde Bauunternehmer William Napier aus London als «landesflüchtig und insolvent» erklärt. Es verstrichen dann wertvolle zwei Jahre, bis Ende 1874 mit der Schweizerischen Nordostbahn (NOB) ein neuer Vertrag über den Bahnbau und den Bahnbetrieb unter Dach gebracht werden konnte.
Die im Juli 1871 bei der Schweizerischen Industrie-Gesellschaft (SIG) in Neuhausen am Rheinfall bestellten 28 Personenwagen, 2 Gepäckwagen und 24 Güterwagen trafen schon im Juli 1873 ein. «Da letztere (nämlich die Bahngesellschaft) weder Remise noch fertige Schienenwege hatte, so wurden sie einstweilen bei der Nordostbahn und den Vereinigten Schweizerbahnen miethweise eingestellt. Sie sind sehr hübsch und nach den neuesten Mustern gearbeitet», meinte dazu Fürsprecher C. Widmer in seinem 1873 erschienenen Bericht über den Bahnbau.

Ein verbessertes Zahnstangensystem wird erprobt

Um die grossen Steigungen zwischen «Wädensweil» und «Biberbrücke» (so die damalige Schreibweise) überwinden zu können, versuchte Ingenieur Kaspar Wetli, ein verbessertes Zahnstangensystem zu entwickeln. Zwischen den Schienen verlegte er von Schwelle zu Schwelle in Pfeilform je zwei Stück Profileisen, in das eine auf der Lokomotive angebrachte Walze eingreifen konnte.

Links: 2 Der Zürcher Ingenieur Kaspar Wetli (1822–1889) war stark an der Förderung des Bahnbaus Wädenswil–Einsiedeln beteiligt; von ihm stammte das speziell für diese steile Strecke entwickelte Walzensystem. Rechts: 3 Das von Ingenieur Kaspar Wetli entwickelte System mit den pfeilförmig angeordneten Profileisenstücken und der auf der Lokomotive angebrachten Walze.

Auf einer rund 540 Meter langen Versuchsstrecke wurden bereits im April 1874 erste Probefahrten mit einer von Direktor Ch. Brown in der Lokomotivenfabrik Winterthur erbauten Speziallokomotive ausgeführt. Die Zeitschrift «Die Eisenbahn» vom 14. Juli 1874 enthält dazu eine sehr technisch gefärbte Schilderung des Erfinders Kaspar Wetli: «Die Versuchsmaschine hat zwei Triebachsen mit vier gewöhnlichen Rädern und eine Mittelachse mit dem freihängenden Schrauben- oder Spiralrad. Alle drei Achsen können gekuppelt werden, indem die gewöhnlichen Räder durch Adhäsion auf dem gewöhnlichen Geleise wirken und das Schraubenrad durch Anliegen und Abrollen an den Seiten der convergirenden Mittelschienen.» Trotz der wohl etwas kompliziert wirkenden Beschreibung des Systems schien sich die neue Erfindung zu bewähren, hiess es doch weiter: «Die Regelmässigkeit der Fahrt ist vollständig in der Gewalt des Lokomotivführers und gewährt deshalb die grösste Sicherheit.» Bei den Stationen musste das Schraubenrad allerdings angehoben werden, um das Überfahren der Weichen zu Ermöglichen.


Oben: 4 Längsschnitt durch die 1876 bei der Maschinenfabrik Esslingen erbaute Dampflokomotive nach dem System Wetli. Unten: 5 Dampflokomotive 8662 unter Dampf.



Drei Lokomotiven werden bestellt

Bei der Maschinenfabrik Esslingen bei Stuttgart wurden umgehend drei zweiachsige Lokomotiven nach System Wetli bestellt, die im Spätherbst 1876 abgeliefert wurden. Die damit durchgeführten Probefahrten nahmen aber am 30. November 1876 einen verhängnisvollen Verlauf: Nachdem die Bergfahrt zufriedenstellen vor sich gegangen war, vermochte die mit angehobenem Schraubenrad talwärts fahrende Lokomotive das Zuggewicht nicht mehr abzubremsen. In immer rascherer Fahrt, raste der Versuchszug nach Wädenswil und entgleiste bei der Einfahrt. Die damalige Presse beschrieb das Unglück recht drastisch mit den Worten: «Die Lokomotive stürzte in Wädensweil um und zerschellte in tausend Stücke. Eine zischende Dampfwolke umhüllte den grausamen Knäuel.»
Diese unglückliche Situation führte dazu, dass mit Lokomotiven der 1875 eröffneten Üetliberg-Bahn (mit Steigungen bis 70 Promille) Versuche angestellt wurden. Und siehe da: Es gelang, ohne zusätzliche Hilfe von Zahnstangen oder Profilstangen die Steigung von rund 50 Promille zu bewältigen. Endlich konnte am 28. April 1877 die amtliche Kollaudation der Bahnlinie erfolgen. Eine ganze Reihe von Bedingungen für den Bahnbetrieb wurden anlässlich dieser amtlichen Begutachtung festgelegt:

1. Die Adhäsionslokomotiven durften nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h auf den grossen Steigungen verkehren.
2. Für den Personentransport durften nur eigene Wagen mit besonders starker Zugvorrichtung und mit doppelter Backenbremse verwendet werden.
3. Güterwagen mussten bergaufwärts geschoben werden.
4. Lediglich einzelne, mit starker Stockbremse versehene und von besonderen Wärtern begleitete Güterwagen durften an Personenzüge angehängt werden.
5. Wen ein Zug zwei Lokomotiven mitführte, musste eine an der Spitze und die andere am Schluss des Zuges eingereiht werden.

Vom 1. Mai 1877 an («ein trüber Frühlingstag war’s, die Schneeflocken wirbelten auf die dampfende Lokomotive») fuhren dann täglich vier Züge pro Richtung auf der Wädenswil–Einsiedeln-Bahn.


6 Die Tarife der am 1. Mai 1877 eröffneten Bahnstrecke Wädenswil–Einsiedeln.


Eine Bahnverbindung über den Zürichsee

Bald schon finanzielle Schwierigkeiten

Wie festlich und feierlich es am Eröffnungstag zugegangen ist, lässt sich wohl am eindrücklichsten aus der folgenden Schilderung im «Einsiedler Anzeiger» vom 15. Mai 1877 herauslesen: «Am 1. Mai wurde die Bahn endlich, endlich dem Betrieb übergeben. Um ½ 10 Uhr dampfte der erste offizielle Bahnzug der vielbesprochenen Schienenverbindung mit fahrplanmässiger Geschwindigkeit nach der Station Burghalden bergan. In den Waggons befanden sich etwa 30 Eingeladene, die Vertreter des eidg. Eisenbahndepartementes, der Regierungen von Zürich und Schwyz, des Stiftes, der Waldstatt und der Korporation Einsiedeln, der Gemeinde Wädenswil, einige Gäste und endlich die Mitglieder jener Vereinigungen, die nach sieben Jahren unsäglicher Arbeit, nach Perioden düsterer Enthmutigung, ja nach verhängnisvoller Katastrophe doch wieder energisch an’s Werk legte, um das Werk zu beendigen.» Allerdings spielte das Wetter nicht ganz mit: «Auch der grundgütige Himmel vergoss dabei ein Meer an Freudenthränen und verhüllte der Gesellschaft das ganze Hochgebirge mit wildflatternden Nebelschleiern.» Weiter geht es bergauf, und die Schilderung setzt wie folgt ein «Unser Train erreicht die Schindellegi, den berühmten historischen Engpass. Der Zug donnert über die Brücke der Sihl und erreicht die Station Biberbrücke, wendet sich dem Alpbach folgend zu Einsiedeln zu. Bald ist der hübsch gebaute Bahnhof in Einsiedeln erreicht.» Nach dem Mittagessen und den üblichen Begrüssungsworten wurde um halb fünf Uhr die Rückfahrt angetreten, «ohne Halt bei den Stationen». Sie wurde in 42 Minuten gemacht. So ist endlich ein Werk vollendet, dessen Entwicklungsphasen eine Passionsgeschichte im vollsten Sinne des Wortes geworden sind.»


Links: 7 Die 1878 erbaute Dampflokomotive «Wädensweil» steht in Einsiedeln zur Abfahrt bereit. Rechts: 8 Plakat für die Eisenbahn Wädensweil–Einsiedeln aus dem Jahr 1885.

Betrieb mit gemietetem Rollmaterial

Da die Bahngesellschaft das bereits im Sommer 1873 – also vier Jahre vor Betriebseröffnung! – abgelieferte Rollmaterial anderweitig vermietet hatte, mussten bei der Schweizerischen Nordostbahn (NOB) zwei zweiachsige Dampflokomotiven (E 2/2 Nr. 251 und 252) sowie elf Personenwagen und zehn Güterwagen ausgeliehen werden; dazu kam die bereits bei Versuchsfahrten erfolgreich eingesetzte dreiachsige Dampflokomotive (E 3/3 Nr. 1) der Uetlibergbahn (UeB).
Erst im Herbst 1878 erhielt die Wädenswil–Einsiedeln-Bahn ihre ersten beiden eigenen Lokomotiven mit dem Namen «Wädensweil» (E 3/3 Nr. 1) und «Einsiedeln» (E 3/3 Nr. 2). Diese dreiachsigen Dampflokomotiven trugen nicht ohne tieferen Grund die Namen der beiden Endstationen der Bahn, hatten diese beiden Gemeinden doch weitgehend für die Finanzierung der Fahrzeuge gesorgt.
Zwei Jahre später stiess dann die Nummer 3 die Dampflok «St. Gotthard» und im Jahre 1887 als Nummer 4 die Lokomotive «Schwyz» hinzu; die letztgenannte Lokomotive ist übrigens – mit 1 083 176 Kilometern auf dem Buckel – heute in der Anlage beim Schiffsteg Wädenswil zu bewundern.



9 1969 wurde auf dem Wädenswiler Seeplatz die 1887 gebaute Dampflokomotive «Schwyz» der ehemaligen Wädenswil-Einsiedeln-Bahn aufgestellt. Seit 2007 ist sie nach historisch korrekter Revision wieder im Einsatz beim Dampfbahn-Verein Zürcher Oberland (DVZO).

Der Seedamm erhält eine Bahn

Schon früh kam der Gedanke auf, die im 14. Jahrhundert erbaute Holzbrücke von Rappersewil nach Pfäffikon durch einen massiven «Chausseedamm» zu ersetzen, auf dem auch eine Eisenbahnlinie Platz finden sollte. Die 1858 geplante Ost-West-Bahn wäre dann von Pfäffikon nach Zug und Luzern weitergeführt worden; für dieses Projekt stellte die Politische Gemeinde Rapperswil gar eine Subvention von 200 000 Franken in Aussicht. Die Bahnbemühungen verliefen aber im Sande, bis 1873 die Zürichsee-Gotthard-Bahn (ZGB) Pläne für eine Verbindung der Rosenstadt mit der damals projektierten Gotthardlinie vorlegte. Nun schien die Zeit für den Bahnbau gekommen zu sein, denn die Bundesversammlung bewilligte daran 100 000 Franken (für die Mehrkosten des Seedamm-Neubaus). Auch die Politische Gemeinde Rapperswil wollte nicht zurückstehen und versprach für 400 000 Franken Obligationen zu kaufen, während die Ortsgemeinde Rapperswil für 100 000 Franken Aktien erwerben wollte. Wegen mangelnden Finanzen gelang es aber vorläufig nur, die Strecke Rapperswil–Pfäffikon zu verwirklichen. Der Bahnbetrieb konnte hier am 26. August 1878, also gut ein Jahr nach der Strecke Wädenswil–Einsiedeln eröffnet werden.


10 Die Eröffnung der Bahnlinie über den Seedamm am 26. August 1878.

Die Bahn sorgt für den Strassenunterhalt

«Einfachheitshalber» übertrug man der ZGB auch gerade den Unterhalt der Strasse auf dem Seedamm – eine Last, die sich während 70 Jahren immer wieder unangenehm bemerkbar machte. Die Bahngesellschaft musste daher lange Zeit wohl oder übel für Ihren Konkurrenten besorgt sein!
Die alte Holzbrücke hatte nun ausgedient, und die von Deutschland herkommenden Pilger hatten nun wenigstens Gelegenheit, dieses kurze Wegstück auf der Pilgerfahrt nach Einsiedeln per Bahn zurückzulegen. Dabei muss man sich in Erinnerung rufen, dass der Rickentunnel erst rund 30 Jahre später eröffnet wurde.
Die Zürichsee-Gotthard-Bahn besass kein eigenes Rollmaterial, sondern liess die Züge gegen Entschädigung von den Vereinigten Schweizerbahnen (VSB) besorgen, die zu jener Zeit bereits die Strecke Wallisellen–Uster–Rapperswil–Uznach–Ziegelbrücke betrieb.

Nichtbezahlung «wegen Mangel an Mitteln»

Für die fünf täglich verkehrenden Zugpaare waren den VSB jährlich 5500 Franken pro zurückgelegten Bahnkilometer zu vergüten; darüber hinaus war jeder Lokomotivkilometer mit Fr. 1.50 zu entschädigen. Da die Betriebsrechnung 1878 mit einem Defizit von Fr. 923.52 abschloss, kam der damalige Verwaltungsratspräsident J.H. Bühler-Honegger nicht umhin, im Geschäftsbericht folgende mahnende Worte niederzulegen: «Die Ergebnisse pro laufendes Jahr sind nicht erfreulicher und nötigen uns, auf eine Änderung der bestehenden Verhältnisse in der einen oder anderen Richtung hinzuwirken.» Da zudem noch für die Benützung der Nordostbahn-Station Pfäffikon eine jährliche Entschädigung zu leisten war, hatte die ZGB von Anfang an mit ernsten finanziellen Sorgen zu kämpfen. Das Betriebsdefizit schnellte im folgenden Jahr auf über Fr. 8000.- und erreichte 1882 gar die (damals) schwindelerregende Höhe von Fr. 27 715. –. «Diese Resultate fordern gebieterisch die baldige Liquidation der gegenwärtigen Gesellschaft im Sinne der angestrebten Reorganisation.» Bei der Nordostbahn stand die Zürichsee-Gotthard-Bahn 1883 bereits mit Fr. 29 333.34 in der Kreide, «und es ist hiefür keine Zahlung mehr geleistet worden, wegen Mangel an Mitteln», heisst es lakonisch im Geschäftsbericht. Es musst also eine neue Lösung gefunden werden, und zwar im Sinne eines Zusammenschlusses der Zürichsee-Gotthard-Bahn und der Wädenswil–Einsiedeln-Bahn.


Eine juristische und eine eisenbahntechnische Fusion

Ein regelrechtes Eisenbahnkreuz entstand zwischen Rapperswil und Goldau sowie zwischen Wädenswil und Einsiedeln

Die bisherigen Aktionäre der Zürichsee-Gotthard-Bahn (ZGB) mussten beim Verkauf ihrer Bahn an die neugebildete Schweizerische Südostbahn (SOB) etliche Opfer auf sich nehmen, denn für jede früher gegen Bezahlung von 100 Franken erworbene Aktie erhielten sie lediglich den Betrag von Fr. 3.15 «in Baar» ausbezahlt - «ein sehr klägliches Resultat», wie der letzte Geschäftsbericht der ZGB meinte. Die Bestandesaufnahme auf den 31. Dezember 1889 zeigte, dass sich die Schwellen und Schienen äusserst mangelhaftem, den Betrieb gefährdendem Zustand präsentierten, während «der Anstrich aller Brücken längst versäumt und niemals erneuert» worden sei.

Ein Übeltäter findet Unterschlupf

Doch wie erging es mittlerweile der Eisenbahn Wädenswil–Einsiedeln (WE)? Nicht immer ganz reibungslos, wenn man in den damaligen Geschäftsberichten blättert. So verwehrte am 4. März 1878 ein zweieinhalb Meter langes und acht Zentimeter dickes Rundholz oberhalb Reidholz (bei Burghalden) die Durchfahrt der Züge. Ein Bahnwärter entdeckte aber rechtzeitig das Corpus delicti, und auch der Übeltäter war bald gefunden, «Der Thäter hat sich selbst beim Statthalteramt Horgen angezeigt – um versorgt zu werden, und wurde durch Urtheil des Bezirksgerichts Horgen vom 8. April 1878 zu einem Jahr Arbeitshaus verurtheilt.»
Am 1. September 1881 sorgte dann eine Rutschung «vorhalb Schindellegi» für eine «Verspätung des letzten Zuges nach Einsiedeln von einigen Stunden». Profitieren konnte Einsiedeln und damit auch die WE von der 1883 in Zürich stattfindenden Landesausstellung, da viele Ausstellungsbesucher gleich noch einen Abstecher nach dem Wallfahrtsort unternahmen. Dank den günstigen Witterungsverhältnissen war ein «ausnahmsweise erfreuliches Ergebnis» zu verzeichnen.
Für 1885 vermeldet der Geschäftsbericht nicht weniger als sieben Pilgerzüge aus dem Breisgau mit insgesamt 6600 Personen. Dafür habe sich in diesem Jahr der Eistransport ab Einsiedeln und Samstagern stark ruckläufig entwickelt.

«Unqualifiziertes Attentat» auf den Verwaltungsrat

Höchst seltsam mutet die 1886 von der Allgemeinen Kreditbank in Basel verlangte Abberufung des gesamten Verwaltungsrats an; offenbar hatte die Bahnverwaltung ihre Mithilfe bei Börsenspekulationen versagt. Die Intervention von fern hatte aber keinen Erfolg, denn der Verwaltungsrat wurde glänzend wiedergewählt. Dafür findet sich im Bericht der Revisoren der folgende denkwürdige und auch ziemlich langfädige Satz: «Im Hinblick auf den vor einiger Zeit in frivolster Weise gemachten Versuch, den gegenwärtigen Verwaltungsrat durch die Generalversammlung abberufen zu lassen, können wir nicht umhin, unsere grosse Befriedigung darüber aussprechen, dass diesem unqualifizierten Attentat auf den Ruf und die Solidarität einer fast beispiellos uneigennützigen und ökonomischen Verwaltung die verdiente Abfertigung zu Theil geworden ist.»
Was versteckte sich aber hinter dem sogenannten Zuginterkommunikationsapparat, der am 8. November 1888 versuchsweise bei der WE eingeführt wurde? Es handelt sich um eine bei schweren Zügen benützte Verbindung zwischen dem Führerstand auf der Dampflokomotive an der Zugspitze mit der schiebenden Lokomotive am Zugschluss, damit die Geschwindigkeit besser koordiniert werden konnte. Gleichzeitig wurden auf Wunsch des «h. Bundesrathes» die «Thüren sämmtlicher Personenwagen» mit Klinken versehen, damit sie auch von aussen geöffnet werden konnten. Ob die Fahrgäste bis anhin die Wagen wohl durchs Fenster besteigen mussten?

Zusammenschluss der beiden Bahnstrecken

Auch die Anlagen der Eisenbahn Wädenswil–Einsiedeln gingen käuflich auf den 1. Januar 1890 an die neugebildete Schweizerische Südostbahn über, doch musste offenbar die formelle Übergabe um einige Tage verschoben werden, «bis die Linie schneefrei war.»
Inzwischen wurde mit Hochdruck an der Fertigstellung der Strecken Pfäffikon–Samstagern und Biberbrücke–Goldau gearbeitet. Nicht nur lokale Verkehrsbedürfnisse sollte damit befriedigt werden, sondern der ganzen Region ein guter Anschluss an die 1882 eröffnete Gotthardlinie ermöglicht werden. Da vom 30. Juli bis 3. August 1891 in Schwyz zahlreiche Feierlichkeiten (600 Jahre Eidgenossenschaft) stattfanden, führte die Bahn bereits einzelne Extrafahrten durch. Am 8. August 1891 war es dann soweit, dass «ohne vorgängige spezielle Feierlichkeit» (vermutlich war die ganze Gegend damals eher etwas festmüde) die neuen Streckenabschnitte in Betrieb genommen werden konnten. Damit entstand nun ein regelrechtes Eisenbahnkreuz von Rapperswil nach Goldau und von Wädenswil nach Einsiedeln. Um den stark gestiegenen Verkehr zu bewältigen, lieferte die Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur sieben dreiachsige Dampflokomotiven (E 3/3 Nrn. 5 bis 11) und eine zweiachsige Maschine (E 2/2 Nr. 51) für den Lokalverkehr.


11 Ausschnitt aus dem grafischen Fahrplan von 1891.


12 Das Längenprofil des Südostbahn-Netzes weist verschiedene Steigungen von 50 Promillen auf.


Das lange Warten auf den elektrischen Fahrdraht

Hochwasser überschwemmte 1934 die Station Biberbrugg

Mit Hilfe der Frauen sicherte sich das junge Bahnunternehmen bereits anno 1893, denn vom 1. April jenes Jahres an wurde die Besorgung der früher von Streckenwärtern bedienten Strassenbarrieren an «Frauenpersonen» übertragen. Im Sommer 1894 gelang es dann der Schweizerischen Südostbahn (SOB), einen Frühschnellzug ZürichEnge (ab 5.39 Uhr) nach Goldau (an 7.46 Uhr) ins Leben zu rufen. Diese heute wohl kaum mehr verständliche Zugführung über das Netz der SOB erklärt sich aus der Tatsache, dass die direkte Linie Thalwil–Zug–Arth Goldau erst im Sommer 1897 eröffnet wurde und bis dahin die Gotthard-Reisenden ab Zürich den Weg durchs Säuliamt via Affoltern am Albis–Rotkreuz nach Arth-Goldau einschlagen mussten.


Links: 13 Die fünfachsige Dampflokomotive vom Typ Ed 4/5 war bei der Beförderung der schweren Pilgerextrazüge über die steilen Rampen der SOB von grosser Hilfe. Rechts: 14 Plakat aus dem Jahre 1899.

Chur–Luzern via Rapperswil

Eine ebenso «kurlige» Reiseroute bestand vom Sommerfahrplan 1895 an mit direktem Wagen der damaligen ersten und zweiten Klasse Chur–Luzern, die ab Ziegelbrücke via Uznach–Rapperswil auf das Netz der SOB gebracht wurden und «bei der Touristenwelt bald beliebt und stark frequentiert» wurden. Der Grund für diesen Umweg ist darin zu suchen, dass die Vereinigten Schweizerbahnen (VSB) die mit ihren Zügen von Chur nach Ziegelbrücke geführten Wagen dort keinesfalls an ihre Konkurrenz, die Schweizerischen Nordostbahn (NOB), übergeben wollten und sie daher auf dem eigenen Netz über Uznach nach Rapperswil führten.
Da die besagte Nordostbahn in Wädenswil nicht immer gute Anschlüsse an die SOB vermittelte, wurden 1894 kurzerhand eine separate «Dampfbootgesellschaft Wädensweil» gegründet und mit den Schiffen «Wädensweil» und «Speer» Anschlusskurse nach Zürich geführt. Dieser Konkurrenzbetrieb hielt sich allerdings nur gerade bis zur Jahrhundertwende.
Zwei fünfachsige Heissdampflokomotiven (Ed 4/5 Nr. 21 und 22) ergänzten ab 1910 den Lokomotivpark, doch führten die stark gestiegenen Kohlenpreise während des Ersten Weltkriegs zu immer drastischeren Fahrplanreduktionen. Zeitweise verkehrten an Werktagen nur noch drei Züge pro Richtung, während an Sonntagen der Verkehr ganz ruhte.

Spezielle «Wig-Wag-Signale»

Die beiden in Samstagern und Hurden aufgestellten «Wig-Wag-Signale» zur Warnung der Strassenbenützer bewährten sich recht gut. Am 15. Oktober 1924 versperrte aber just auf besagtem Niveauübergang in Hurden eine Langholzfuhrwerk die Zugdurchfahrt, so dass der Fuhrknecht wegen «Bahngefährdung» eingeklagt wurde. Die im gleichen Jahr in Wilen von einem Automobilisten beschädigte geschlossene Barriere wurde indessen «prompt und anstandslos» ersetzt.
Die Eröffnung einer Haltestelle zwischen Wädenswil und Samstagern (ungefähr beim Standort der im Mai 1979 eröffneten Haltestelle Grüenfeld) wurde 1926 von der Bahnverwaltung abgelehnt, und zwar unter Berufung auf die «unbedeutenden Distanzen» zur nächstgelegenen Station (es handelte sich damals um 2 ½ bis 3 Kilometer, was immerhin einen Fussmarsch von einer halben Stunde bedeutet).


Gemütlicher Dampfbetrieb zu Beginn unseres Jahrhunderts in Samstagern.

Da in Wädenswil das Areal der SOB-Werkstätte für den Doppelspurausbau der Strecke Thalwil–Richterswil benötigt wurde, baute die Bahn in Samstagern ein neues Werkstattgebäude, das 1928 in Betrieb genommen werden konnte.
Eine totale Betriebseinstellung war die Folge eines Hochwassers, das am 9. September 1934 die ganze Station Biberbrugg 60 Zentimeter unter Wasser setzte. 1200 Reisende mussten entweder in den Zügen oder in den Dorfherbergen übernachten, da der Bahnverkehr erst am folgenden Nachmittag wieder in Gang kam. Mit zwölf Autocars der Firma Winterhalder aus Zürich wurden die Reisenden am folgenden Tag nach Wädenswil evakuiert.

Der elektrische Fahrdraht kommt

Recht früh machte sich die SOB Gedanken, wie der Zugbetrieb auf elektrische Traktion umgestellt werden könne. Schon 1918 – also zu einer Zeit, als überhaupt noch keine SBB-Strecke elektrifiziert war – beschloss die Generalversammlung der SOB die Aufnahme einer Anleihe von zwei Millionen Franken zur Aufrechterhaltung des Betriebs und zur Vorbereitung der Elektrifizierung. Aber zuerst mussten Gutachten eingeholt und Projekte ausgearbeitet werden, bis endlich im Sommer 1938 der Startschuss gegeben wurde. Acht vierachsige Motorwagen (mit Personen- und Gepäckabteil) wurden in Auftrag gegeben, die aber für die Eröffnung des elektrischen Betriebs am 15. Mai 1939 noch nicht zur Verfügung standen. Lokomotiven und Triebwagen der benachbarten Bodensee–Toggenburg-Bahn (BT) und der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) mussten vorläufig in die Lücke springen.
Lobend erwähnt der damalige Geschäftsbericht, dass die eigenen Motorwagen in der damaligen dritten Klasse keine Lederpolster besassen. Die Holzbänke hätten sich aber bei den «damals mit Sack und Pack reisenden Militärpersonen» gut bewährt.


16 Der anlässlich der Elektrifizierung der SOB erbaute Motorwagen Abe 4/4 Nr. 5 verkehrt heute noch weitgehend wie im Ursprungszustand von 1939.

Mit Schwung ins 21. Jahrhundert

Züge vom Bodensee über Luzern–Entlebuch nach Bern?

Mit dem elektrischen Zugbetrieb konnte nicht nur die Fahrzeit verkürzt, sondern auch die Anzahl der Züge vermehrt werden. Der resultierende Verkehrszuwachs zwang die Bahn, zu den bis Mitte 1940 abgelieferten acht Motorwagen im Laufe der Zeit noch folgende neuen Triebfahrzeuge anzuschaffen:


16 Im Jahr 1943 kam der elektrische Rangiertraktor Te 2/2 Nr. 31 hinzu, der auch für die Führung von Lokalzügen verwendet werde konnte.


17 Von der Schweizerischen Bundesbahnen wurden 944 zwei Gepäcktriebwagen vom Typ RFe 4/4 (heute De 4/4 Nr. 21 und Nr. 22) übernommen.

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Der 1949 angeschaffte Personen-/Gepäcktriebwagen CFE 4/4 Nr. 61 wurde später nach Österreich weiterverkauft und durch anderes Rollmaterial ersetzt.


18 Zwei Triebwagen BFe 4/4 Nr. 62 und Abe 4/4 Nr. 71, ergänzten 1959 den Rollmaterialbestand; sieben Jahre später kam noch der Triebwagen BDe 4/4 Nr. 82 inzu.


19
Um schwere Pilger- und Güterzüge vermehrt mit eigenen Lokomotiven zu führen, kaufte die SOB 1967 eine Hochleistungslokomotive Re 4/4 III Nr. 41; später kamen drei gleichartige Fahrzeuge mit den Nummern 42 und 44 hinzu.

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Gleich fünf neue (mit Namen versehene) Personentriebwage mit Gepäckabteil, BDe 4/4 Nrn. 83 bis 87, stiessen im den Jahren 1978/79 zum bereits sehr umfangreichen Bestand der SOB.


20
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die beiden 1975 und 1983 in Betrieb gesetzten Rangierlokomotiven Tm 2/2 Nr. 32 und Nr. 33.

Mit dieser Erneuerung des Triebfahrzeugparks ging die Verbesserung der Sicherungsanlagen einher; die SOB kann dabei in Anspruch nehmen, als erste Bahnverwaltung alle ihre Strecken mit elektrischen Integra-Stellwerken und dem vollautomatischen Streckenblock mit Achszählung ausgerüstet zu haben.

Die Unglücksjahre 1947 und 1948

Wohl getreu nach dem Motto «Auf der SOB, da gibt’s kei Sünd» wurden anno 1941 die Gefangenenzellen in den Gepäckwagen entfernt, womit zusätzlicher Platz für die Beförderung von Gepäckstücken gewonnen werden konnte.
Gleich zwei Unglücksfälle überschatteten 1947 und 1948 die sonst eher ruhige Geschichte der SOB: Am 26. Juli 1947 prallten zwischen Biberbrücke und Einsiedeln zwei fahrplanmässige Züge zusammen, wobei neben grossem Sachschaden auch 10 Todesopfer und 63 Verletzte zu beklagen waren. Unverzüglich wurde die bereits begonnene Ausrüstung aller Streckenabschnitte mit dem Streckenblock beschleunigt, damit solche Zugbegegnungen auf offener Strecke vermieden werden konnten. Noch folgenschwerer war das Eisenbahnunglück vom 22. Februar 1948, als ein Sportzug Sattel–Zürich mit einer SBB-Krokodillokomotive und neun schweren Personenwagen auf den massiven Prellbock in Wädenswil auffuhr und zudem noch die seeseitige Fassade des Obst- und Weinbaugenossenschafts-Gebäudes zum Einsturz brachte. Nicht weniger als 22 Todesopfer 131 Schwer-, Mittel- und Leichtverletzte waren zu beklagen. Die Abklärung der Unfallursache liess erkennen, dass es der Lokomotivführer fatalerweise unterlassen hatte, die Triebmotoren vor der Einfahrt ins Gefälle von der Zugwirkung auf die Bremsstellung umzuschalten. Durch das Aufdrehen des Stufenschalters gaben deshalb die Triebmotoren, anstatt zu bremsen, immer mehr Triebkraft auf die Räder ab. Die einwandfrei funktionierenden Bremsen der Personenwagen vermochten aber gegen die ungestüm vorwärtseilende Lokomotive nichts mehr auszurichten.
Von einer äusserst lästigen Aufgabe konnte die SOB 1951 entbunden werden: Während über 70 Jahren war die Bahngesellschaft nämlich verpflichtet, für den Unterhalt der Rapperswiler Seedamm-Strasse zu sorgen. Die dafür aufgewendete Million Franken tat der Bahn natürlich doppelt weh, das aus diesem Betrag vor allem das den Bahnverkehr konkurrierende Automobil Nutzen zog.

Kiestransport für den Bau der N3

Umgekehrt konnte die SOB aber auch vom Autoverkehr, und zwar insbesondere vom Bau der N3, profitieren. Seit dem 2. August 1962 rollten nämlich täglich schwerbeladene Kieszüge mit 15 Spezialwagen, von Weiach herkommend, in Pfäffikon ein. In praktische Dreierportionen aufgeteilt, wurde die schwere Fracht über die Steile Rampe nach Samstagern und zur Umschlagstelle Schwanden geführt. Nachdem am 14. November 1965 der letzte Kieszug geführt worden war, bekam die SOB umgehend die Konkurrenz der neueröffneten N3 zu spüren, denn die Autofahrt von Zürich nach Einsiedeln war nun in viel kürzerer Zeit als mit der Bahn möglich. Immerhin versuchte die Bahn weiterhin, auf Kundenwünsche einzugehen. So führte die SOB ab 1967 versuchsweise an Freitagen einen Nachtzug (Zürich HB ab 23.20, Einsiedeln an 0.11 Uhr ein – eine Verbindung, die sich heute (bei täglichem Betrieb) als «Nachtschwärmer» einen festen Platz im Fahrplan erobert hat.

Der legendäre «Gipfeliexpress»

Zu einer gesamtschweizerischen Premiere kam es im November 1974, als in einem direkten Morgenzug von Einsiedeln nach Zürich Kaffee und frische Gipfeli angeboten wurden. Dieser Service hat sich bis heute bewährt und fand seither bei anderen Bahnen erfolgreich Nachahmer.
Eine weitere Verbesserung für die Fahrgäste stellte die mit Fahrplanwechsel 1979 verwirklichte Eröffnung der Haltestellen Grüenfeld (zwischen Burghalden und Samstagern) und Wilen (zwischen Freienbach und Wollerau) dar. Und da ja bekanntlich aller guten Dinge drei sind, fand die schon bisher bediente Wintersporthaltestelle Biberegg Aufnahme im Fahrplan.


Links: 21 Nicht etwa auf das Klosterdorf weist die Inschrift «Abt» hin, sondern dies bedeutet, dass der Wagen mit Erst- und Zweitklasseabteilen und einen Führerstand ausgerüstet ist. Rechts: 22 Kilometermillionär ist der 1979 in Betrieb genommene Personentriebwagen mit Gepäckabteil BDe 4/4 Nr. 87, und das noch knapp acht Jahren eifrigen Einsatz.

Da die Wagenbaufirma für Neubauten immer höhere Preise zu berechnen pflegten, stellte die SOB ihr Fahrzeug-Modernisierungsprogramm radikal um. Anstatt neue Wagen zu kaufen, wurden bestehende (und zum Teil von anderen Bahnen übernommene) Fahrzeuge zweckmässig umgebaut und modernisiert, und zwar unter dem sonst eher bei militärischen Applikationen bekannten Namen Retrofitprogramm.


23 Mit ihrem modernen orangen Anstrich lassen die SOB-Motorwagen vergessen, dass sie bald 50 Jahre auf dem Buckel haben.

Freude bekundete die SOB natürlich, dass ihre seinerzeit als «avantgardistisch» bezeichneter leuchtendroter Anstrich der Lokomotiven später auch bei der «grossen Schwester», den SBB, Nachahmung gefunden hat. Übrigens wirkte sich die enge Zusammenarbeit mit den SBB auch bei den Zugläufen aus. Ab 1985 verkehren mit grossem Erfolg der Konstanz-Rigi-Express (Konstanz–Weinfelden–Wil–Wattwil–Arth-Goldau) und der Südbahn-Express (Aarau–Wohlen–Arth-Goldau–Einsiedeln).

Dank Oswald Steam noch heute Dampf bei der SOB

Über 40 Jahre nach der Elektrifizierung der SOB hat der Dampfbetrieb wenigstens «strichweise» wieder Einzug auf dem Streckennetz der SOB gehalten. Seit dem 1. Januar 1983 betreibt Christoph R. Oswald (Hurden) in Samstagern eine Revisionswerkstätte für Dampflokomotiven und historischen Wagenmaterial. Mit einer Dampflok E 3/3 (Baujahr 1910) und den letzten drei noch erhaltenen Schnellzugwagen der ehemalige Gotthardbahn (Baujahr 1903) kann ein kulinarischer Festzug gebildet werden, der für Gesellschaften und spezielle Anlässe eingesetzt wird. «Einen kleinen Hauch von Internationalität» verspüre man nun auch in Einsiedeln, lies der SOB-Geschäftsbericht 1981 vernehmen, denn seit dem Dezember jenes Jahres sei es nun auch im Klosterdorf möglich, Fly-Gepäck-Sendungen «in alle Welt» aufzugeben. Mehr einheimisches Publikum zog die Bahn dann an, als seit 1982 in alten Eisenbahnwagen sogenannte Trekking-Lager durchgeführt werden konnten.


24 Dampf (immer noch) bei der SOB: Die bei Oswald Steam in Samstagern stationierte französische Dampflok 241 A 65 ist zurzeit nicht fahrtüchtig.


Bereits sind die Planungen zum gesamtschweizerischen Projekt «Bahn 2000» im Gang; erwähnt sie in diesem Zusammenhang die eventuelle Weiterführung einzelner Züge vom Bodensee über Luzern ins Entlebuch bis Bern, womit wohl schon in einigen Jahren SOB-Rollmaterial regelmässig auch in der Bundesstadt anzutreffen sein wird. Vordringlich ist aber auch die Ausrüstung der dichtbefahrenden Einspurstrecken Rapperswil–Pfäffikon und Samstagern–Biberbrugg mit dem zweiten Streckengleis. Die SOB hat somit gute Chancen, mit Schwung ins 21. Jahrhundert zu fahren. Wir wünschen ihr – und damit auch ihren Fahrgästen – dazu gute Fahrt.


25 Eine Fahrt von Rapperswil nach Arth-Goldau dauerte im Dampfbetrieb, wie aus diesem Fahrplan aus dem Jahr 1933 zu sehen ist, rund 1 ¾ Stunden.


Anmerkungen

Quellen

Geschäftsberichte 1877 1985
SBB-Bibliothek, Bern
Bundesarchiv, Bern
Verkehrshaus der Schweiz, Luzern
Fotoserien Verlag E.B. Leutwiler, Zürich

Bildnachweis

Header Bild: Zugparade zwischen Samstagern und Schindellegi mit Hochleistungstriebwagen BDe 4/4 und Re 4/4 III (Digitalarchiv Peter Ziegler, Wädenswil, DOZ)
1 PTT-Museum, Bern
2 Paul-Kläui-Bibliothek, Uster
3 Sammlung Werner Neuhaus, Belp
4 Sammlung Werner Neuhaus, Belp
5 Digitalarchiv Peter Ziegler, Wädenswil, (DOZ)
6 Sammlung Werner Neuhaus, Belp
7 Schweizerische Südostbahn, St. Gallen
8 Plakatsammlung des Kunstgewerbemuseums Zürich
9 Digitalarchiv Peter Ziegler, Wädenswil, (DOZ)
10 Sammlung Werner Neuhaus, Belp
11 Schweizerische Südostbahn, St. Gallen
12 Schweizerische Südostbahn, St. Gallen
13 Schweizerische Südostbahn, St. Gallen
14 Plakatsammlung des Kunstgewerbemuseums Zürich
15 Schweizerische Südostbahn, St. Gallen
16 www.ricardo.ch/SOB: El. Triebwagen ABe 4/4 5
17 Digitalarchiv Peter Ziegler, Wädenswil, (DOZ)
18 Digitalarchiv Peter Ziegler, Wädenswil, (DOZ)
19 Digitalarchiv Peter Ziegler, Wädenswil, (DOZ)
20 Digitalarchiv Peter Ziegler, Wädenswil, (DOZ)
21 Rolf Hürlimann, Bern
22 Rolf Hürlimann, Bern
23 www.railroadpictures.de/SOB ABe 4/4 4 14, 07.06.1993, Biberbrugg
24 Rolf Hürlimann, Bern
25 Schweizerische Südostbahn, St. Gallen

Abkürzungen

BKW Baukultur Wädenswil
DOZ Dokumentationsstelle Oberer Zürichsee, Wädenswil
LZB Verein «150 Jahre linksufrige Zürichseebahn»
, Wädenswil

Weitere Artikel Baugeschichte & Jubiläen

GESCHÄFTSBERICHT DER SCHWEIZERISCHEN NORDOSTBAHN 1875
Quelle: Ortsmuseum Sust; Horgen, S. 73-88

DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER EISENBAHN
Quelle: Wädenswil Zweiter Band, 1972, von Peter Ziegler, S. 133-140

LINKSUFRIGE ZÜRICHSEE-BAHN - AUS DEN ANNALEN DER LINKSUFRIGEN
Quelle: Werner Neuhaus, Separatdruck «Zürichsee-Zeitung» Th. Gut+Co. Verlag, 8712 Stäfa

ALS DIE EISENBAHN KAM
Quelle: Text zur Sonderausstellung im Ortsmuseum Sust von Christina Kovarik, Zürich & Robert Urscheler, Horgen

EISENBAHN: DIE «LINKSUFRIGE»
Quelle: Aus der Richterswiler Verkehrsgeschichte von Richterswil V 1977 von Adolf Attinger, S. 70-81

VON DER WÄDENSWIL–EINSIEDELN-BAHN ZUR SÜDOSTBAHN
Quelle: Wädenswil Zweiter Band, 1972 von Peter Ziegler, S. 141-150

AUS DEN ANNALEN DER SÜDOSTBAHN
Quelle: Werner Neuhaus, Separatdruck «Zürichsee-Zeitung», 1987, Th. Gut+Co. Verlag, 8712 Stäfa, zusätzliche Bilder LZB

DAS «PARADESTÜCK DER SCHWEIZERBAHNEN» IST HUNDERT JAHRE ALT GEWORDEN
Quelle: Thalwiler Anzeiger, September 1975, aus Sammlung Ortsmuseum Richterswil, zusätzliche Bilder LZB

100 JAHRE EISENBAHNLINIE ZÜRICH–RICHTERSWIL
Quelle: Grenzpost, September 1975, Ziegler Peter aus Sammlung Ortsmuseum Richterswil

HUNDERT JAHRE WÄDENSWIL–EINSIEDELN-BAHN
Quelle: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 1977 von Peter Ziegler, S. 53-59